Bücher dürfen in Deutschland nie mehr brennen

26.05.2018

Förderverein der Geisenheimer Kulturscheune erinnerte mit einer öffentlichen Lesung auf dem Domplatz an die Bücherverbrennung der Nazis im Mai 1933

Geisenheim. (sf) "Am 10. Mai, vor 85 Jahren, das Blutbad eines Weltkriegs war vorbei, ergötzten des Nachts schon Menschenscharen, am Feuerwerk verlogener Tyrannei. Zwei Monate zuvor, die Straße tobte, denn Macht ergriff ein schreckliches Kartell, das nationalen Sozialismus lobte, jedoch in tiefstem Wesen kriminell. Da stieß man bald auf unerwünschte Schriften, auf Dichtkunst, die den deutschen Geist zersetzt, auf Bücher, die das Vaterland vergiften und auf Autoren, welche Ehre uns verletzt. Drum warf man auf Befehl von Geisteskranken auf Scheiterhaufen beste Literatur, zwecks Ausmerzung missliebiger Gedanken aus jüdischer, und sonstiger Kultur. "Kennst Du das Land, in dem Kanonen blühen!" von Kästner stammt dies aufschreckende Wort, es lag jetzt in der Glut, und Funken sprühen, auch tausende von Büchern brannten dort. "Verbrennt mich !" rief auch Brecht zutiefst erschüttert, wenn Euch mein Werk zu liberal, nicht passt. Und wer bei Kafka schon Verräter wittert, der steckt mental versunken im Morast. Tucholsky, Freud, auch Ringelnatz und Heine, schob Joseph Göbbels ab, ins Flammenmeer. Die Deutsche Rasse brachte man ins Reine und Hybris tanzte rücksichtslos umher. Das war also vor fünfundachtzig Jahren. Vergessen dürfen wir dies Datum nicht. Verbrannte Bücher stumme Opfer waren. Man sah damals dem Wahnsinn ins Gesicht", mit seinem nur wenige Stunden zuvor entstandenen Gedicht hatte es der Rheingauer Künstler, Autor, Humorist und Mediziner Dr. Winfried Rathke wieder einmal auf den Punkt gebracht. Mit einer kurzfristig einberufenen öffentlichen Lesung gedachte der Förderverein des Geisenheimer Kulturtreff "Die Scheune" am Markttag auf dem Domplatz der Bücherverbrennung der Nazis am 10. Mai 1933.
Beeindruckt und nachdenklich blieben immer wieder Marktbesucher stehen und hörten den wohlbekannten Gedichten und Versen zu, die hier vorgelesen wurden und die einst, weil ihre Autoren "unbequem" oder "jüdisch" waren, im Feuer vernichtet werden sollten. Doch das geschriebene Wort ist das Gedächtnis der Menschen und lässt sich glücklicherweise nicht totschweigen - damals nicht und heute auch nicht.

"Ich freue mich, dass Sie zu unserer kleinen Gedenkfeier anlässlich des 85. Jahrestages der Bücherverbrennungen gekommen sind. Der Förderverein Kulturtreff "Die Scheune" hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Kulturzentrum "Die Scheune" und somit die städtische Bücherei zu unterstützen. Daher ist es uns ein besonderes Anliegen, dem Ungeist jener Zeit, der zum Teil auch jetzt wieder zu spüren ist, etwas entgegen zu setzen. Wir müssen uns immer wieder daran erinnern, was der damaligen Bücherverbrennung folgte: geistige, humanitäre und freiheitliche Einschränkungen", sagte auch der Vorsitzende des Fördervereines, Klaus-Peter Kessler. In der Folge könne man sagen: "Zuerst brannten die Bucher, dann die Menschen. Bedeutende Schriftsteller mussten als Folge der Bücherverbrennung und des Hasses aus Deutschland emigrieren. Unter den unerwünschten Werken waren Bücher von Siegmund Freud, Kurt Tucholsky und Erich Kästner", erinnerte Kessler. Er hielt fest, dass der 10. Mai 1933 ein Tag der Schande war, des kulturellen und zivilen Rückschritts in Deutschland. "Damit sich so etwas nie wieder, ganz gleich in welchem Land, wiederholt, sind wir heute zum Gedenken zusammen gekommen", so der Vorsitzende.

Dafür gab es vom Publikum auf dem Domplatz viel Beifall und Anerkennung. Gerne hielten die Leute in ihrem Alltag inne, um eines der berühmten Gedichte und Texte aus jenen geächteten Büchern zu hören wie Heinrich Heines Loreleylied: "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten". Schon zur Nazi-Zeit habe man dieses Lied gut gekannt und nicht nur von Touristen wird es bis heute bei jedem Besuch am Rhein gesungen. Doch weil der Autor Jude war, hatten die Nazis es mit dem Vermerk "Autor unbekannt" versehen. Diesen Hintergrund erläuterte Dr. Rathke, der mit mehreren eigenen Gedichten die Zuhörer nachdenklich stimmte. Auch Büchereileiter Horst Falker und Susanne Göttel-Spaniol lasen Gedichte und Texte von Erich Kästner, Heinrich Heine, Kurt Tucholsky und anderen berühmten Schriftstellern vor, deren Bücher damals verbrannt wurden. Und selbst die Zuhörer waren eingeladen, sich an der öffentlichen Lesung zu beteiligen, was auch einige gerne taten. "Bücher dürfen in Deutschland nie mehr verbrannt werden und Menschen nie mehr politisch oder religiös verfolgt", meinte einer der spontanen Vorleser.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 26.05.2018.

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