Der Berg ruft!
17.06.2009
Kloster, Turm und Graf - und immer der Berg dabei. Das Weingutm Weil trumpft mit einer neuen Phalanx von innovativen Bergweinen auf. Diesen filigranen Rieslingen gehört im Zeitalter des global warming die Zukunft.
In Höhenlagen wird es zukünftig heiß hergehen. "Der Rheingau hat den Vorteil, dass er in die Höhe ausweichen kann", sagt Wilhelm Weil energisch. Denn nicht wenige Fachleute empfehlen, im Zeitalter des global warming im Rheingau sogar rote Sorten wie Cabernet franc zu setzen. Den Gutsdirektor des renommierten Weinguts Robert Weil in Kiedrich ficht das nicht an: "Rheingau ist Riesling und Riesling ist Rheingau! Die Gewinner der globalen Erwärmung sind zweifellos die nördlichen Anbaugebiete und hier insbesondere die Höhenlagen. Der kühlste Punkt, an dem sie eine garantierte Vollausreifung erreichen, ist stets der beste Standort für Topqualitäten. Das betrifft alle Früchte. Der Grund ist der, dass die längere Hängezeit der Frucht absolut entscheidend ist für die differenzierte Aromaausbildung. Deshalb wird sich unter dem Aspekt der globalen Erwärmung der Fokus auf Höhenlagen weiter intensivieren. Plötzlich werden bei uns Standorte sogar in einer Höhe von über 300 Metern interessant!" Dort oben wachsen klassische, schlanke Rheingauer mit der typisch filigranen Finesse und der rassigen, heiteren Säure: Weine mit moderatem Alkohol, die einfach Trinkspaß bereiten. Wie das Trio der wegweisenden Rieslinge Klosterberg, Turmberg und Gräfenberg von Weil.
Seit jeher galten die Bergweine zwar als der Inbegriff der Rheingauer Rieslinge. So berichtet die Stiftsdame Adelheid von Stolterfoth in ihrer "Beschreibung, Geschichte und Sage des Rheingaues und Wisperthales" bereits 1840: "Wir finden, dass im eilften Jahrhundert der Rüdesheimer Berg, im zwölften der Johannisberg, Steinberg, der Gräfenberg bei Kiedrich aber im dreizehnten Jahrhundert zum Theil von frommen Händen angepflanzt wurde." Allerdings reiften die Bergweine nur zwei Mal im Jahrzehnt aus - was sich heutzutage jedoch gravierend geändert hat. 1991 registrierte Weil das letzte kalte, schwache Jahr. Seitdem konnte sich ein neuer Rieslingtyp etablieren, die Weine sind vollmundiger und üppiger. Also echte Power-Rieslinge wie das Erste Gewächs aus dem Kiedricher Gräfenberg. Austrieb, Blüte und Lesebeginn liegen immer zeitiger - teils beginnt die Vegetationsperiode zwei Wochen früher als im 30-jährigen Durchschnitt. In den nächsten Jahrzehnten soll die Durchschnittstemperatur gar um bis zu 1,5 Grad Celsius steigen.
Höher hinaus wollte früher also so recht keiner. Ganz im Gegenteil, galt doch die sogenannte Rieslinggrenze. Diese besagte einst, dass die Königin der weißen Sorten ab einer Höhe von 240 Metern im Rheingau nichts zu suchen hat - der Anbau dort oben sogar verboten war. Heute jedoch, wo sich die Anbaugebiete der klassischen Bordelaiser Rebsorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot schätzungsweise um rund 500 Kilometer nach Norden verlagert haben, bieten die Höhenlagen unvergleichliche Vorteile: "Je höher wir kommen, desto mehr steigt im Rheingau der Phylittanteil, die Böden werden karger, gesteinsreicher", sagt Weil. "Das kommt dem Weinbau entgegen, die Früchte werden nicht mehr so groß, die Mengenerträge sind geringer. Da fördert eine bessere Durchlüftung eine klare Ausreifung!" Dies gilt für Weil insbesondere in einem Jahrgang wie 2008: "Es gab an vielen Standorten generell die Gefahr der Fäulnis und eine zu kurze Hängezeit. Dadurch ist oft die Gesamtsäure zu hoch, auch ist der Anteil von hart schmeckender Apfelsäure noch nicht genügend zu frischer, harmonischer Weinsäure verändert. In unseren Höhenlagen konnten wir jedoch 14 Tage länger gesund hängen lassen, das Verhältnis von Apfel- zu Weinsäure liegt so nicht bei den 2008 oft gängigen 50:50, sondern bei 30:70. Zudem ist unsere Gesamtsäure um zwei Gramm niedriger. Die Weinsäure fällt außerdem als Weinstein als natürliche Säurereduzierung während des Weinanbaus aus. Eine um 14 Tage längere Hängezeit macht so eine ganze Welt aus!"
Dann schenkt der Kiedricher Winzer zwei der großartigen Riesling-Innovationen der letzten Jahre ein. Zuerst den Turmberg, laut Weil "die erste Lage in Hessen, die mit dem Weingesetz von 1971 weggefallen war und nun wieder reaktiviert worden ist". 3,8 Hektar stehen im Monopolbesitz. Der Turmberg hat eine sauber abgegrenzte Bodenstruktur und profitiert von einem eigenen Mikroklima. Er liegt in einem engen, kesselartigen Seitental hinter dem Gräfenberg, dreht sich noch mehr nach Süden, zieht sich bis auf etwa 240 Meter hoch. Den Weinen schmeckt man bei mittlerem Körper den höchsten Phyllitanteil in Kiedrich an, sie sind die mineralischsten der drei Lagen, fest, mit enormem Zug, säuregeprägt, straff, elegant, gletscherkühl. Der Tänzer, der moselanischste Weil-Riesling. Eine 3D-Schieferanimation für den Gaumen. Mit herrlichen Aromen von frisch aufgeschnittenen Zitrusfrüchten, rassiger Kräuterwürze und einer enormen Vitalität - selbst in den fruchtigen und edelsüßen Rieslingen. Dem gegenüber spielt der Klosterberg am meisten mit der Frucht, bietet ein richtiges Maul voll Wein: ein Saftprotz. Auch in hoher Reifestufe ist die Fruchtausprägung am interessantesten, dank des höchsten Feinerdeanteils. Die Lage ist geographisch die zweitnächste zum Kloster Eberbach. Hier leistet das Weingut Weil bei der Etablierung des Klosterbergs als Spitzenlage echte Pionierarbeit! Genau das macht eben einen klassischen Rheingauer Riesling aus. Er "singt" bereits bei moderatem Alkohol, zeigt Schwung und Rasse, die heitere deutsche Seele, eine fast verdrängte Seite. "Die Weine sind goldhell, von trockenem, pikantem Geschmack und köstlichem Bukett, das kein anderer Wein in solcher Fülle und Kraft besitzt." So hieß es über den Rheingauer Riesling schon in "Meyers Großem Konversationslexikon" anno 1907. Und genau das verkörpern heute die drei Bergweine von Weil. Kein Zweifel, der Berg ruft!
VivArt Wiesbaden & Rheingau Sommerausgabe 2009
Ein Bericht von Manfred Lüer vom 17.06.2009.
128