Fastnacht kennengelernt

03.02.2016

Rucki Zucki und Ententanz auf Syrisch

Cafe International erklärte den Flüchtlingen in Oestrich-Winkel, was Fastnacht ist/Kreppeln und Kostüme kamen super an

Oestrich-Winkel. (sf) Fatma ist jetzt eine Chinesin. "Es macht riesigen Spaß, sich zu verkleiden und mal eine ganz andere Rolle einzunehmen", sagt die 13jährige beim Fastnachtstrubel des Café International am vergangenen Mittwochnachmittag. Fatma lacht und tanzt und lässt sich auch die Kreppel schmecken. Das ist schön zu sehen, denn Fatma hat nicht nur vor einem Jahr eine schwere Flucht mit ihrem Bruder und ihren Eltern nach Deutschland unternommen. Ihre Eltern sind auch beide schwer krank und noch immer weiß die Familie nicht, ob sie bleiben darf. Dabei spricht Fatma schon sehr gut Deutsch, hat schon Freunde gefunden und gerade den Zugang zur Realschule geschafft. Beim Fastnachtsspecial des Café International treten endlich mal alle Sorgen in den Hintergrund und Fatma darf das sein, was sie ist: ein junges Mädchen, das einfach nur fröhlich sein möchte.
Wie ihr ergeht es an diesem denkwürdigen Nachmittag vielen: das deutsche Kulturgut Fastnacht bietet den Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Kosovo und Albanien mal die Möglichkeit, die schweren Stunden der Flucht und die Zukunftssorgen für einige Stunden zu vergessen. "The Germans are so kind and a little bit crazy", fasste es Hassan in Worte, auf Deutsch kann er noch nicht ausdrücken, dass er es lustig und verrückt findet, sich mitten im Alltag zu verkleiden, zu singen und tanzen.

Doch genau das wollte das Team des Cafe International auch erklären. Das Cafe International (CI) im Mehrgenerationenhaus Oestrich-Winkel findet immer am letzten Mittwoch im Monat statt und ist ein offener Treff für alle Bürger Oestrich-Winkels sowie die in der Kommune ansässigen Asylbewerber. Die Kontaktbörse bietet Begegnungsmöglichkeit zum Austausch und zum gegenseitigen Kennenlernen im Hinblick auf ein mögliches Engagement bei der Flüchtlingshilfe. Das Team des CI will auf diesem Wege Vertrauen schaffen und Integration ermöglichen. Im Mittelpunkt stehe dabei aber auch immer ein interessantes, der Jahreszeit angepasstes Programm. So wird zum Beispiel gemeinsam gewandert oder kreativ gearbeitet. Es finden Erzählcafes statt und es werden Feste und Bräuche der Deutschen vorgestellt. So stand diesmal das Thema "Die Fastnacht in Deutschland' an. Zum Kaffee und Tee wurden Kreppel und Fasnachts-Gebäck serviert und natürlich gab es Musik der fünften Jahreszeit. 99 Kreppel hatte Erich Herbst für das Fastnachts-Cafe gestiftet und die kamen bei den Flüchtlingen sehr gut an. Kinder, Frauen und Männer zeigten sich gleichermaßen von dem süßen Gebäck mit der für alle überraschenden Füllung begeistert.

Für die Kinder und auch manchen mutigen Erwachsenen gab es extra einen Verkleidungsraum: viele verschiedene Fastnachts-Kostüme, ebenfalls von Bürgern gestiftet, standen hier zur Auswahl und ganz schnell hatte sich nicht nur Fatma in eine Chinesin verwandelt: die 19jährige Nesrin wurde zur Hexe, Laya ist jetzt ein süßer Schmetterling und Mustafa ein Superman. In einer Schminkecke sorgte die junge Flüchtlingshelferin Kim noch dafür, dass die passende Schminke ins Gesicht kam und malte geduldig eine Prinzessin nach der anderen mit Glitzerfarbe an. Im großen Festsaal gab es außerdem eine Bastelecke, in der Uschi Ferch-Walter und Alexandra und Jasper, Schüler des Hansenberg-Gymnasiums, mit den Kindern lustige Masken bastelten. Die Hansenbergschüler seien regelmäßig beim CI mit von der Partie.

So gut gerüstet, ging es dann richtig los: Rucki Zucki, Ententanz und Narhallamarsch erklangen und alle begannen zu tanzen. Ein besonderer Höhepunkt war auch die Vorführung eines Tanzes junger Syrer aus ihrer Heimat, bei dem auch ganz schnell die deutschen Flüchtlingshelfer mitmachten.

Zur Einführung hatte es eine kurze Erläuterung von Gerda Stiller, die das CI zusammen mit rund zehn Helfern, darunter auch drei Flüchtlinge, organisiert, zum Thema Fastnachtsbrauch in Deutschland gegeben. "Wir wollten den Flüchtlingen, die bei uns leben, den Ursprung des Festes erklären, die Fastnachtsbräuche vermitteln und mit ihnen feiern", sagte auch Meike Apitz-Spreitzer vom Cafe International. Neben den wichtigen Dingen des Alltags, die die Asylbewerber wissen müssen, gehöre auch der gemeinsame Freizeitspaß und die Vermittlung deutscher Kultur zur Integration dazu.
Und das kommt bestens an: 150 Gäste feierten hier eine schöne Party und nicht nur die Kinder hatten riesigen Spaß. Für die kleine Aysha ist das zwar noch etwas große Prinzessinnenkleid ein Traum und Schmetterling Laya ist stolz auf ihre weißen Federflügel. Der fünfjährige Mohamed ist noch etwas schüchtern beim Verkleiden, aber sein Freund Abdal hat sich schon in einen Indianer verwandelt. Und auch die Erwachsenen fühlen sich sichtlich wohl: viele der Asylbewerber haben schon Vertrauen zu den rund 60 Flüchtlingselfern in Oestrich-Winkel gefasst. "Es ist schön zu sehen, wie sich die Leute so toll darauf einlassen", bringt es eine Helferin auf den Punkt und Mustafa, der spontan den syrischen Tanz organisiert, meint dazu "Hier kann man für eine Weile Sorgen und Ängste vergessen".

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 03.02.2016.

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