Neujahrsfest als Dankeschön für Flüchtlingshelfer

03.02.2017

Beeindruckende Geschichten und Gedichte, Musik aus Bosnien und Afghanistan und geselliges Miteinander

Geisenheim. (sf) "Ich bin beeindruckt", sagte Dr. Winfried Rathke, der selbst auch zu den Flüchtlingshelfern gehört und am vergangenen Freitagabend nicht nur als Gast zum großen Neujahrsfest der Flüchtlingshelfer eingeladen war, sondern auch das Programm mitgestaltete. Dass der "geniale Tausendsassa, Künstler, Mediziner, Musikant und Autor" Dr. Rathke wieder mal selbst alle verblüffte mit einem humoristischen und wahrheitsgetreuen Gedicht über die politische und gesellschaftliche Lage der Welt, war nicht verwunderlich. Dr. Rathke versteht es immer wieder mit Gefühl, Humor und Satire, den Finger genau da hinzulegen, wo es wichtig ist. So war sein Vortrag zu Beginn des Abends auch gleich wieder ein besonderer Höhepunkt.
Doch das, was den ehrenamtlich engagierten Flüchtlingshelfern außerdem im Rahmen dieses geselligen Neujahrsfestes noch geboten wurde, war wahrlich beeindruckend, wie Dr. Rathke es resümiert hatte.
Eröffnet wurde das Fest mit knapp 50 der insgesamt 65 Flüchtlingshelfer im Geisenheimer Atrium von den beiden hauptamtlichen Flüchtlings- und Ehrenamtsbeauftragen Dubravka Kamm und Sandra Ackermann. Im Sommer 2016 waren zwei Stellen zur Koordination von Ehrenamt und Flüchtlingshilfe besetzt worden, seitdem kümmert sich Frau Ackermann um die Ehrenamtlichen und Frau Kamm um die Koordination der Flüchtlingshilfe. Im Rahmen ihrer gemeinsamen Begrüßungsansprache dankten die beiden den ehrenamtlichen Helfern für alles, was seit über einem Jahr geleistet wurde. "Sie sind seit vielen Monaten aktiv und waren teilweise schon vor uns da. Sie haben uns nicht nur den Einstieg in unsere Arbeit erleichtert, sie haben auch dafür gesorgt, dass die geflüchteten Menschen hier gut angekommen sind", erklärten beide. Rund 100 Flüchtlinge sind derzeit in Geisenheim dezentral in sieben Unterkünften untergebracht. Die ehrenamtlichen Helfer hätten die Flüchtlinge in den letzten Monaten bei Gängen zu Ärzten oder Behörden unterstützt, ihnen geholfen, ihre Kinder in Schulen und Kitas anzumelden, ihnen die deutsche Sprache, den Alltag hier und viele bis dahin unbekannte Bräuche ganz unkompliziert näher gebracht und auch die Kinder wochenlang gehütet, wie Frau Rühl es getan habe. "Sie haben getröstet und ermutigt, Freundschaften und familienähnliche Bindungen sind teilweise entstanden. Das ist eine großartige Leistung, denn Sie haben geholfen, den Geflüchteten einen guten Start in unsere Gesellschaft zu ermöglichen." 2016 sei viel geleistet worden. "Wir sind auf einem guten Weg. Aber es gibt auch noch viel Arbeit im neuen Jahr", so die beiden Gastgeberinnen des Neujahrsfest.

Der Rede schloss sich auch Bürgermeister Frank Kilian an, der ebenfalls das große ehrenamtliche Engagement der Flüchtlingshelfer hervorhob und ihr beispielhaftes Wirken lobte. "Angela Merkel hatte den vielzitieren und kritisierten Satz "Wir schaffen das" in den Raum gestellt und wir haben es auch tatsächlich geschafft", sagte Frank Kilian. In Geisenheim sei die Willkommenskultur mit Herzlichkeit und Leben gefüllt worden und werde immer noch gelebt: "So funktioniert Integration und ein gutes Miteinander, zumindest in Geisenheim. Was Sie gegeben haben, ist nicht alltäglich und ein Beispiel für eine intakte Gesellschaft des gegenseitigen Miteinanders. Denn es kommt auch wieder zurück, wie viele erfahren durften", so Kilian. Er ging auch noch einmal auf die Wichtigkeit ein, die geflüchteten Menschen nicht in große Sammelunterkünfte, sondern in dezentralen Wohnungen unterzubringen. "Wir sind da auf dem richtigen Weg und wir tun alles, dass es auch in Zukunft so bleiben wird", erklärte Kilian. Man führe Gespräche mit Kreis und Land, damit dieser bewährte Weg weiter beschritten werden könne.
Danach brachte Dr. Winfried Rathke mit seinen Versen vom aktuellen Weltgeschehen alle mit intelligentem Humor auf seine Seite. Höchste Aufmerksamkeit hatte er auch, als er davon erzählte, dass er einst selbst ein Flüchtling gewesen sei und mit wenigen Habseligkeiten den langen Weg vom Königsberg auf sich genommen hatte. Später dann als junger Arzt in Afrika hatte er selbst Anteil daran, einem Menschen zu helfen, in Deutschland Fuß zu fassen. Er ließ einen jungen Afrikaner damals zunächst in seiner Hausmeisterwohnung wohnen und erlernte nicht nur dessen afrikanische Sprache, sondern auch seinen Stamm kennen. Er verschaffte ihm später einen Arbeitsplatz im Rheingau, wo der motivierte Afrikaner seinen Schulabschluss nachholte, sogar das Abitur machte und schließlich Ingenieur wurde. "Er kehrte nach Afrika zurück und gab als Dozent weiter, was er einst hier gelernt hat. Heute hat der "Flüchtling" einen Doktortitel und lebt in Amerika, den Rheingauer Dialekt beherrsche er aber immer noch". Sehr ergreifend war dann auch der Vortrag von Dr. Moustafa Selim, der als Flüchtlingsbeauftragter auch an der Hochschule Geisenheim mit humorvollen Vorträgen über unterschiedliche Sitten, Gebräuche und Sprachverwirrungen aufklärt. Der dunkelhäutige Forscher und Dozent an der Hochschule Geisenheim präsentierte ganz erstaunliche Gedichte mit sehr intensiver Lyrik und sprachlich hervorragend formuliert. So gab es zunächst einen Hymnus an die vielen auf See ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer. Er zeigte die Not, den Krieg, die Verwüstungen, die traumatisierten Menschenmassen, die Not, die Brutalität. Und er zeigte auch das Nebeneinander von Kirchturm und Minarett, und dass der Krieg sowohl Moslems als auch Christen tötet. Die Gedichte wurden begleitet von Bildern vom Laptop, die über einen Beamer auf die Leinwand geworden wurden. Texte und Fotos waren erschütternd und die Zuhörer sichtlich betroffen. In einem zweiten Gedicht dankte Dr. Moustafa Selim den ehrenamtlichen Helfern in Geisenheim. Er beschrieb, wie sie anpacken, Sprachunterricht geben und auf Behördengängen begleiten. Dazu sah man Bilder von Deutschen und Flüchtlingen, die zusammen sitzen und sich verständigen. Die frohen, glücklichen Gesichter zeigten Erleichterung und rege Kommunikation. Das entspannte dann auch die Stimmung beim Neujahrsfest wieder.

Und die wurde noch entspannter, als die beiden jungen Musiker Mirsad Husejnovic aus Bosnien am Keyboard und Mohamed Moradi aus Afghanistan an der Gitarre das weitere Programm gestalteten. Mohammed Moradi aus Afghanistan spielte Volkslieder seiner Heimat, und begleitete sich auf der Gitarre. Seine Melodien waren eher leise, traurig, melancholisch. Dazu beherrschte er seine Gitarre perfekt und hatte einen eher modernen Rhythmus. "Die Musik dieses sympathischen jungen Manns, der sich viel Mühe gibt, die deutsche Sprache zu erlernen, erinnert mich ein wenig an spanische Volksmusik", sagte Dr. Rathke.
Ganz anders war das, was der junge Bosnier Mirsad Husejnovic am Keyboard präsentierte: flotte Tanzrhythmen und mitreißende Musik aus seiner Heimat in sehr filigraner Tremolo-Technik. Beide Musiker erhielten stürmischen Beifall und mussten gleich mehrere Zugaben spielen. Danach sprach man noch lange miteinander im Foyer, trank Wein und feierte den gelungenen Abend.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 03.02.2017.

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