"Die Heldenhaften" fahren jetzt auch im Rheingau

05.08.2017

Berühmtes Nostalgie-Radrennen "L'Eroica" soll auch in Deutschland etabliert werden/ Erste Testfahrt war voller Erfolg

Rheingau. (sf) "Es ist erst einmal nur eine Testfahrt, im nächsten Jahr starten wir dann richtig durch und erwarten dann schon über 500 Teilnehmer", erklärt Uwe Burhdorf beim Start der rund zwei Dutzend Teilnehmer mit über 30 Jahre alten Rennrädern. In "kratzigen" Baumwolltrikots aus den 70er Jahren präsentieren sie sich stolz, denn das legendäre Radrennen L'Eroica ist auch ein bisschen wie eine Zeitreise. Bei der Radrundfahrt, die in Italien Kult ist, widmen sich Radsportbegeisterte seit 1997 dem Radfahren in seiner einfachen Form: in die Pedale treten die Radfahrer auf Bikes mit Stahlrahmen, die Schaltung ist am Holmen und über den Rahmen entlang führen die Bremsschläuche. "Es geht hier nicht um ein Rennen, sondern das gemeinsame Genießen der Fahrt", wissen die Teilnehmer, deren Feld auch schon zum Testlauf international war: aus England, Holland und Italien waren die Radrennfahrer aus drei Generationen angereist. Und auch ein Rheingauer war mit dabei, der hatte sogar das älteste Fahrrad: Peter Freimuth von "Bike and Fun" fuhr auf einem Rad aus dem Jahr 1963. "Da wurde mir mal für Dekorationszwecke in meinen Geschäft geschenkt. Jetzt kann ich es für die "LEroica super gebrauchen", freut sich der Rheingauer, der auch zu den Unterstützern des nostalgischen Radrennens im Rheingau gehört.

Weltweit sorgt die beliebte Radrundfahrt für historische Rennräder für Furore, allein in der Toskana, gehen jährlich bis zu 7000 Teilnehmer der "Heldenhaften", was "LEroica" auf Deutsch heißt, an den Start. 1997 fand dort die erste Auflage des etwas anderen Radrennens in Gaiole im Chianti-Gebiet statt. Und Gründer Giancarlo Brocci ist auch beim dem jüngsten "Ableger" von LEroica im Rheingau mit von der Partie. Der Italiener ist extra für das Rennen im Rheingau angereist ist und erklärt: "Bei der LEroica geht es nicht nur um Sport und Strapazen, sondern auch um "Dolce Vita". In Gaiole gehen die meisten Teilnehmer an den Start. Ableger gibt es in Südafrika, den Niederlanden, Kalifornien, Uruguay, England, Spanien, Japan und nun auch in Deutschland, ab sofort ist "LEroica" im Rheingau in Johannisberg beheimatet. Und was die Landschaft betreffe, so müsse der Rheingau sich keinesfalls hinter der Originalstrecke in der Toskana verstecken.

Verantwortlich dafür ist der gebürtige Wiesbadener Buhrdorf, den das Fahrrad-Fieber nach einer Teilnahme bei der LEroica in Italien gepackt hat: "Für viele Radliebhaber und -sportler in Deutschland ist die Eroica, die jährlich im Herbst im Chianti - Gebiet stattfindet, ein wichtiges Veranstaltungshighlight. Hier kam er auf die Import-Idee und dann schnell auf den Austragungsort in Hessen: "In Zukunft können sie die renommierte Radrundfahrt für historische Rennräder auch im eigenen Land erleben. Vor zwei Jahren, nach der Teilnahme an der Eroica in der Toskana mit einem Freund, kam mir die Idee, die traditionelle Radrundfahrt auch nach Deutschland zu holen", erzählt Uwe Buhrdorf, der aus Wiesbaden stammt und jetzt in Berlin wohnt. Als Ort für die Veranstaltung sei ihm gleich der Rheingau mit seinen Sehenswürdigkeiten und Ausblicken als der einzig richtige Austragungsort eingefallen: "Die Kulturlandschaft Rheingau bietet den idealen Ort dafür. Eine atemberaubende Landschaft am Rhein, geprägt von Weinbau und mittelalterlichen Dörfern, die immer wieder spektakuläre Blicke auf das Rheintal offen legt. Und da der Rheingau im Herzen Deutschlands liegt, ist die neue Heimat der Eroica Germania per Flugzeug, Bahn und Auto gut zu erreichen. Außerdem gehört der hier produzierte Riesling gehört zu den besten Weinen der Welt. Die an der Eroica Germania teilnehmenden Radfahrer werden daher Gelegenheit bekommen, den Riesling ausgiebig zu testen". Allerdings erst nach der Fahrt, was beim Start am Weingut Prinz von Hessen erst einmal für Stöhnen unter den Radrennfahrer führt. Alkohol ist bei der Deutschland-Premiere der LEroica im Gegensatz zum Radrennen in der Toskana erst einmal verboten. "Es tut mir leid, es gibt heute an den Verpflegungsstationen leider keinen Wein. Aber wir sind hier in Deutschland und "Dont drink and drive" gilt hierzulande bekanntlich auch für nichtmotorisierte Fahrzeuge", hatte Veranstalter Uwe Buhrdorf kurz vor dem Start verkündet und die Enttäuschung im Starterfeld war hörbar. Trotzdem steht der Genuss auch bei der deutschen Auflage des Rennens obligatorisch im Mittelpunkt: "Statt Powerriegel es gibt an den Stationen auf der Strecke hessische Spezialitäten wie Rauchpeitsche, Wurstbrötchen und Äpfel aus der Region", erläuterte Buhrdorf.

Die Testfahrt für den Eroica Ciclo Club startete am Samstagmorgen um 9.30 Uhr und endete am Nachmittag im Hofe des Weingut Prinz von Hessen in Johannisberg. "Auf halber Höhe zwischen Tal und Bergen gelegen, verbindet der Prinz von Hessen, von Beginn an ein bedeutender Unterstützer der Eroica Germania, Tradition und Moderne", so Buhrdorf. Während des gesamten Tages war dort ein Eroica-Café aufgebaut, das Fahrer und Begleiter willkommen hieß. "Gerne unterstützt das Weingut Prinz von Hessen die Veranstaltung und sorgt als Start- und Zielpunkt für die Verpflegung der Radfahrer. Das Fahrrad ist auch mein Sportgerät", schmunzelte der Direktor des Weinguts Clemens Kiefer, während er sich selbst ein Bild von den verschiedenen alten Rennrädern machte.
Für die Testfahrt des renommierten Radrennens hatten die Uwe und seine Frau Silke Buhrdorf eine Route von knapp 75 Kilometern mit 1400 Höhenmetern kreiert, die durch alle Aspekte dieser wunderbaren Landschaft führt: "Die Tour geht durch Weinberge und Waldgebiete, vorbei an Klöstern, Schlössern und Denkmälern und entlang moderner und traditioneller Weingüter", so das Ehepaar Buhrdorf schwärmerisch.
Aber auf den nostalgischen Rädern war die Tour von Johannisberg durch die Weinberge in den Wald nach Hallgarten bis zur kalten Herberge, ins Wispertal und zurück richtig knackig. "Die fahrbaren Untersätze wurden alle vor dem vom Reglement festgelegten Jahr 1987 hergestellt. Klickpedale, aufwändige Bremsanlagen oder gar Carbon-Rahmen sind verboten und gibt es hier nicht. Das Fortbewegen auf den Fahrrad-Oldtimern wird zur echten Arbeit, denn die insgesamt 75 Kilometer mit 1.324 Höhenmetern müssen mit reiner Muskelkraft bewältigt werden", so Buhrdorf. Und spätestens jetzt weiß man auch, wo der Name "LEroica - die Heldenhaften" her kommt. Doch die beeindruckenden Panoramen und die typischen Feldwege belohnten die Gruppe, die immer zusammenblieb. Fünf Stunden und ein geplatzter, aber sofort von rund den Ersthelfern gewechselter Reifen später ist das Ziel erreicht und schließlich gibt es auch endlich den ersehnten Riesling für die Fahrer in ihren Baumwoll-Trikots. "Das gemeinsame Anstoßen und Verweilen beim Wein ist mindestens genauso wichtig wie das Rennen an sich", erklärte auch Giancarlo Brocci und ließ sich den hart verdienten Riesling schmecken.

Bei dieser ersten Rundfahrt von Johannisberg über Kiedrich und Hausen zurück zum Weingut Prinz von Hessen, sollte neben der Strecke auch das Interesse der Radfahrer an der Veranstaltung selbst getestet werden und hier resümierten alle, ob Teilnehmer, Veranstalter oder Kooperationspartner unisono: "Voller Erfolg". Schon in den vergangenen Jahren sei der deutsche Markt ein wichtiger der Eroica gewesen. Wenn es sich so entwickelt, wie Buhrdorf hofft, wird die Tour ab 2018 regelmäßig im Rheingau stattfinden. "Die Eroica ist ein Prozess, die Voraussetzungen müssen stimmen und besonders die Streckenplanung ist wichtig", erklärt der Organisator der Rundfahrt. Im Mittelpunkt steht auch die Idee, alte Radwege für die alten Rädern wiederzubeleben. Langfristig könne im Rheingau eine solche "LEroica-Radstrecke" etabliert werden, die dann auch außerhalb des Rennens Rad-Nostalgiker anziehen könne. "Die LEroica ist jetzt auch in Deutschland angekommen, erklärt Buhrdorf auch beim Interview mit dem Hessischen Rundfunk und will direkt nach der Testfahrt mit der Planung der großen Premiere im nächsten Jahr beginnen. Schließlich werden dann über 500 Starter erwartet und das will gut vorbereitet sein.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 05.08.2017.

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