1500 Flaschen Hochzeitswein getrunken
10.01.2019
In Johannisberg gibt es seit dem 17. Jahrhundert die Johannisweinsegnung
Johannisberg. (sf) „Fast siebzig Mal kommt das Wort Wein in vielerlei Verbindungen auch als Weinbauer, Weintraube oder Weinberg, Weingelage, weinselig, Weinsäufer, und Weinstock in den Texten des Neuen Testamentes vor. Zehnmal davon bei Johannes. Mit 55 Nennungen kommt Wasser vor. Wasser und Wein scheinen also im Neuen Testament die Renner unter den Getränken gewesen zu sein. Bei jeder Feier wird Wein und Wasser verwendet. Jesus scheut sich nicht, bei weinseligen Festen dabei zu sein und wohl auch mitzufeiern und mitzutrinken. Ähnlich oft kommt auch das Wort Brot im Neuen Testament vor und wie das Brotbrechen ist das Weintrinken zum Erkennungszeichen der Christen geworden. Wasser, Brot und Wein sind die häufigsten Worte, in denen sich Jesus symbolisch spiegelt: Wasser und Brot des Lebens, der wahre Weinstock, der Wein als Bundeszeichen. Man muss sich das nur einmal vorstellen hier im Rheingau, in Eltville, in Kiedrich, in Hattenheim und Oestrich, in Geisenheim, in Rüdesheim, in Lorch, in Johannisberg, in Assmanshausen, in Hallgarten und Martinstal, um nur einige Orte zu nennen. Das alles ist zutiefst messianisches Gebiet. Und der Weinstock und die Reben und das Keltern und das Trinken können im täglichen Leben Zeichen für die Ankunft und Gegenwart des Himmelreiches sein. Auf Schritt und Tritt verfolgt den Christen hier im Rheingau das Evangelium, die frohe Botschaft. Nur merkt´s wahrscheinlich niemand!“, erklärte der Kunsthistoriker und Theologe Dr. August Heuser am den vielen Besuchern der diesjährigen Johannisweinweihe in der Schlossbasilika in Johannisberg.
Der 27. Dezember ist traditionell seit Jahrhunderten im Volksmund als „Winterjohannes" bekannt und beinhaltete im Rheingau auch die Weinsegnung. Die Tradition der Weinsegnung am "Winterjohannes", dem 27. Dezember, ist im Rheingau schon viele Jahrhunderte alt und geht auf eine noch ältere biblische Legende zurück. Sie erzählt davon, dass man einst dem Heiligen Johannes einen Becher voll vergifteten Wein zum Trinken reichte. Johannes habe diesen Wein jedoch mit dem Kreuzzeichen gesegnet, bevor er ihn trank, und das Gift sei in Gestalt einer Schlange aus dem Becher gekrochen. Der Heilige soll den Wein dann getrunken haben und ganz unbeschadet geblieben sein. In Gedenken an diese Legende hatte man in Johannisberg schon im 17. Jahrhundert am Tag des Heiligen Johannes einige Flaschen Wein von Geistlichen segnen lassen und für besondere festliche Anlässe wie Hochzeiten, Geburten und Jubiläen aufgehoben. Aber auch bei Krankheiten, in Kriegszeiten, Armut und Not war es Brauch, ein Glas gesegneten Johannisweins zu trinken, um Unheil und Krankheit abzuwenden. Auch einer der ältesten Trinksprüche gehe auf die Sitte zurück, Reisenden zum Abschied ein Glas geweihten Johanniswein zu reichen und gemeinsam auf ein "das wir wieder froh zusammen trinken" anzustoßen.
Nach dem Krieg war dieser Brauch zunächst in Vergessenheit geraten. Doch als 1964 Pfarrer Hörnis nach Johannisberg kam, ließ dieser hier den Brauch erstmals im Rheingau wieder aufleben. Nachdem sich der Brauch in Johannisberg als Tradition verfestigt hatte, zogen in den 80er Jahren auch andere Gemeinden mit den festlichen Gottesdiensten nach Weihnachten und der traditionelle Weinsegnung als feierliches Ereignis nach. Mittlerweile freuen sich die Winzer und Rheingauer über ein großes Interesse von vielen Weinfreunden, die aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet mittlerweile zur Johannisweinweihe in den Rheingau kommen.
In Johannisberg wurde ein besonders festlicher Gottesdienst zum Gedenken an den Evangelisten Johannes und zur Weinweihe gefeiert. Mit der Johannisberger Weinkönigin Megan McKeever und der Geisenheimer Weinprinzessin Leonie Lippert an der Spitze waren zahlreiche Winzer und die Fahnenträger von sechs Weinbruderschaften, Weinfreunde, Mitglieder des Rheingauer Weinkonvents und Rheingauer Bürger zur Johannisweinweihe in der Basilika auf dem Johannisberg zusammengekommen. Aus Geisenheim nahmen die Wein-Reimer teil und aus Johannisberg die Weinkritik, die zusammen mit der Pfarrgemeinde die Weinsegnung organisierte.
Den Festgottesdienst zelebrierte der Geisenheimer Pfarrer Marcus Fischer, die Festrede hielt in diesem Jahr Dr. August Heuser, der ehemalige Direktor des Dommuseums in Frankfurt. Er bezog sich in seiner Predigt vor allem auf die Hochzeit von Kana, die berühmte Geschichte aus der Bibel, bei der Jesus Wasser in Wein verwandelte. Auch die Beschreibung des Bildes von Veronese „Die Hochzeit zu Kana“ durch Dr. Heuser kam gut an: obwohl man das Bild nicht sah, konnte man sich die Handlungen der Personen bei der Hochzeit zu Kana bildhaft vorstellen, so gut beschrieb der Fachmann das 10 x 7 Meter große Gemälde, das der italienische Künstler Veronese für das Refektorium des Klosters St. Georgio in Venedig 1563 geschaffen hatte. „Napoleon hat es nach Paris in den Louvre gebracht. Das Bild soll fast 133 Beteiligte an der Hochzeit zeigen, davon die Hälfte Kellner und Dienerinnen, die große Fleischplatten herbeischleppen. Genug Leute, so denke ich, um beim Rheingau-Musik-Festival und sonst abends auch nach 21.30 Uhr in den Lokalen des Rheingaus noch eine Bewirtung zu garantieren. 1500 Flaschen Wein seien bei der Hochzeit getrunken werden, „da muss doch jedem Rheingauer Winzer das Herz aufgehen“, sagte Dr. Heuser und merkte an: „Mit zwölfhundert Liter Wein, das kann man wohl sagen, haben die Gäste wohl im Wein baden können. Bescheidenheit und Enthaltsamkeit sieht anders aus. Wichtiger sei aber letztlich, dass alle Zeugen der „Premium-Ausgabe eines Wunders“ geworden seien, damals in Kana. Auch den Rheingau bezeichnete er als wahrhaft „messianische Region“: „Auf Schritt und Tritt verfolgt den Christen hier das Evangelium, die frohe Botschaft“. Das kam beim Publikum besonders gut an. Und Dr. Heuser machte auch einen Vorschlag an die Winzer: zur Vervollständigung der eucharistischen Symbole, die Jesus darstellen, wäre die Ausgabe eines Brotstücks zum Johanniswein sehr sinnvoll. „Mit dem Brotbrechen ist auch das Weintrinken zum Erkennungszeichen der Christen geworden“, erläuterte Heuser. Die Freude über das Zeichen Jesu und die Verwandlung des Wassers zu Wein und die Ankündigung des messianischen Reiches, die Dr. Heuser in seiner Predigt beschrieb, ging auf die Zuhörer über und strahlte auf die gesamte nachfolgende Feier aus. Mit frohem Herzen feierten die Johannisberger diesen Festtag. Schließlich nahm Pfarrer Fischer die Weinsegnung zu Ehren des Heiligen Johannes vor: sie beruht auf der Legende, dass Johannes einen Becher mit vergiftetem Wein segnete und so die zerstörerische Kraft des Giftes bannte, sie steht unter dem Motto „Trinke die Liebe des Heiligen Johannes“. In diesem Sinne segnete Marcus Fischer rund 50 Flaschen Wein im Rahmen des Festgottesdienstes in Johannisberg. Ein Teil dieses Weines wurde direkt im Anschluss an die feierliche Segnung an die über 150 Gläubigen ausgeschenkt. Und wie schon in den vergangenen Jahren wurde die Einladung zum gemeinsamen Umtrunk von den Besuchern des Gottesdienstes gerne angenommen. Den anderen Teil des gesegneten Weines nahmen die Besitzer jedoch wieder mit nach Hause. Mit dem Johanneswein wird in manchen Familien an Silvester nämlich auch auf ein gesundes neues Jahr angestoßen. Außerdem nutzen die Rheingauer Winzer den Wein auch für einen anderen uralten Brauch. Einige Tropfen des geweihten Johannisweines werden auch heute noch in manchen Weinkellern in die Fässer mit dem jung geernteten Wein gefüllt, um den kirchlichen Segen so weiterzugeben.
Ein Bericht von Sabine Fladung vom 10.01.2019.
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