„Kinner, wie die Zeit vergangen ist!“
17.10.2019
Johannisberger Landfrauen feierten 50jähriges Bestehen mit großem programmreichen Jubiläumsabend/Ulrike Neradt sorgt für Furore
Johannisberg. (sf) „Unser Chatroom war die Gass, unsern Wellnesspool de Mühlbach und mein Gameboy, der hieß Fritz“, mit witzigen Chansons über längst vergangene, aber wunderschöne Zeiten, Kindheitserinnerungen und sehr humorvollen, eigenen Familiengeschichten einer glücklichen Kindheit sorgte Ulrike Neradt unter dem Motto „Kinner, wie die Zeit vergeht“ bei den Johannisberger Landfrauen für Furore. Grund für die humorvolle Rückschau in die 60er Jahre war ein ganz besonderer: Mit dem großen programmreichen Jubiläumsabend feierten die Johannisberger Landfrauen das 50jährige Bestehen ihres Vereines.
Die Vorsitzende Karin Heise hatte den Abend eröffnet und sich gefreut, dass so viele Mitglieder und Ehrengäste gekommen waren. Grüße und Glückwünsche zum 50jährigen Bestehen überbrachten der mit den Johannisberger Landfrauen sehr verbundene Landrat Frank Kilian, Bürgermeister Christian Aßmann, Ortsvereinsringvorsitzender Kleinöder und die Vertreterinnen des Bezirks-Landfrauenvereins Wiesbaden, Rheingau, Main-Taunus, Kyra Luft und Heide Reuter. Der Johannisberger Landfrauenverein sei einer der ersten Ortsvereine im Rheingau gewesen, erinnerten die beiden Damen und dankten allen bisherigen Vorsitzenden und dem heutigen Vorstand für die engagierte und erfolgreiche Arbeit. Unter anderem erinnerten sie an Elisabeth Staab, die den Verein mitbegründet hatte und 16 Jahre lang leitete und an die engagierten Nachfolgerinnen Ingrid Kurze, Gisela Fischer und Andrea Wieland. Der derzeitigen Vorsitzenden Karin Heise überreichten sie einen ausgehöhlten Kürbis mit der Zahl 50, was für viel Heiterkeit sorgte.
Die Johannisberger Landfrauen könnten stolz auf ihre 50jährige Vereinsgeschichte seien, meinte auch Landrat Frank Kilian, der auch schon als Geisenheimer Bürgermeister die Verlässlichkeit und das Engagement der Landfrau zu schätzen gelernt hatte. Und auch Amtsnachfolger Christian Aßmann hielt fest, dass die Johannisberger Landfrauen im Ort, in der gesamten Stadt und der Region viel bewegt hätten. „Eine Gemeinschaft, die immer positiv hervortritt. Wann immer der Wunsch nach Hilfe an Sie herangetragen wurde, sind Sie selbstverständlich bereitwillig zur Stelle. Sei es bei den legendären Weinfesten in der Vergangenheit, beim Wäschbrunnenfest oder bei Veranstaltungen, die wir für die Stadt Geisenheim ausrichten. Immer haben Sie durch Ihre Hilfe maßgeblich zum Gelingen dieser Festivitäten beigetragen. Ich hoffe und wünsche mir, dass dies auch noch viele Jahre so bleiben wird“. Damit seien die Landfrauen eine wertvolle Bereicherung des Johannisberger Vereins- und Kulturlebens, hielten Landrat und Rathauschef fest und übergaben Ehrengeschenke für die Vereinskasse. Die Gratulanten wünschten dem Traum für die Zukunft „viele Mitglieder unter 30 Jahren“ die Verwirklichung.
Er sei sich der Ehre sehr wohl bewusst, an einer Veranstaltung der Landfrauen teilhaben zu dürfen, sagte der Vereinsringvorsitzende Kleinöder in seiner Festansprache. Allerdings sei er doch enttäuscht, dass die Damen an diesem Jubiläumsabend doch wohl nicht „so ganz unter sich sein“ wollten. „Ich hatte gehofft, das ich neben dem Landrat, dem Bürgermeister und Ihrem persönlichen Schutzpatron, meinem Vorgänger Armin Fischer, der vierte Mann unter lauter Damen sein werde. Doch jetzt haben Sie ja auch die Landmänner mitgebracht“, scherzte der Vereinsringvorsitzende und dankte ausdrücklich für das Engagement der Johannisberger Landfrauen in und für ihren Heimatort.
Einen kleinen Rückblick auf die Vereinsgeschichte gab die Vorsitzende Karin Heise den Gästen und Ehrengästen in ihrer Begrüßungsansprache: 500 Veranstaltungen der verschiedensten Art hätten die Landfrauen seit ihrer Gründung angeboten. Karin Heise umriss das rege Vereinsleben der Johannisberger Landfrauen. „Der Landfrauenverband hat die Aufgabe, alle Landfrauen und die an der Arbeit des Verbandes interessiert Personen zusammenzuschließen, um sie beruflich und kulturell zu fördern und ihre Belange im öffentlichen Leben zur Geltung zu bringen," dieser Paragraph aus der Landfrauen-Verbands-Satzung war 1969 für zehn Frauen aus Johannisberg so reizvoll gewesen, dass sie auf Initiative von Elisabeth Staab beschlossen, am 3. September in der Schamari-Mühle den Landfrauenverein zu gründen. Karin Heise rief die Gründungsmitglieder Margret Andersson, Gisela Fischer, Maria Groß, Ute Heinrich, Anneliese Keidl, Margot Rheingans, Rosemarie Schmidt, Lydi Speth, Elisabeth Staab und Marianne Wolf noch einmal in Erinnerung und freute sich sehr, dass man fünf der Gründungsmitglieder heute noch in den Reihen der Johannisberger Landfrauen begrüßen könne. Schließlich wurden Mathilde Boos, Katharina und Mathilde Daniel, Hannelore Trenz und Gisela Fischer im Rahmen des Jubiläumsabends auch für ihre 50jährige Vereinstreue ausgezeichnet. Aus dem einstigen Knüpfen der legendären Wandteppiche, die als Leihgabe an die Kirche vergeben wurden, und dem gegenseitigen Kennenlernen sei der Verein aus der Taufe gehoben worden. „Unsere Mitgliederzahl ist im Laufe der Jahre bis auf fast 100 geklettert, ehrgeizig verfolgten wir das Ziel, über 100 zu kommen. Nun versuchen wir mit ihrer Hilfe die 70 zu halten“, so Karin Heise.
Man erinnerte sich an die zahlreichen Vorträge über Kunst, Malerei und Musik, an Exkursionen zur Hoechster Porzellanmanufaktur, an Teppichhaus- und Pelzmodenschauen, Schmuckabende und Handarbeiten, wie die Hessenstickerei. Und auch fröhliche und gemütliche Geselligkeit kamen bei den Johannisberger Landfrauen nicht zu kurz: man erinnerte sich gerne an den lustigen Abend mit der bekannten Mainzer Mundartdichterin Hildegard Bachmann, der mit ihrem schönen Ausspruch endete „Landfrauen sind die Sonne der Gemeinde". Weitere Höhepunkte waren die Kochnachmittage und –abende unter anderem in der Berufsfachschule Geisenheim gewesen, wo man „geschnippelt, gerührt, dekoriert und gegessen“ habe. Und was sich dann vielleicht als Hüftgold bei den Damen zeigte, konnte dank der eisernen Disziplin Frau Bastians in ihren Turnstunden wieder abgeturnt werden. Es gab sogar Belohnungen für die Damen, die keine Stunde versäumt hatten und als Dank für ihr Engagement ernannten die Landfrauen Frau Bastian 1976 zum Ehrenmitglied. „Gerne denken wir an die Lagerfeuerromantik mit unserem Ehrenmitglied Frau Bastian“, so Karin Heise.
Die Städte stromauf und stromabwärts am Vater Rhein habe man besucht: „Nun haben wir mit Heike Baumgarten auch eine exzellente Gästeführerin in unserem Vorstand“. Gedanklich sei man durch die Welt gereist unter anderem mit dem Ehepaaren Trabert und Feig. Es gab Vorträge von Ärzten wie mit der unvergessenen Dr. Emely Salzig und Zahnärztin Monika Schubert über den Verein „Ärzte für die 3. Welt", Berichte über Organspende und die Hilfe der Landfrauen bei einer Typisierung für die Knochenmark-Spenderdatei. Nach einer Besichtigung der Rüdesheimer Brömserburg waren einst 16 Damen des Vereins zur Freude des damaligen Landrats Dinse dort mit Eimern und Putzlappen erschienen und hatten Regale und Vitrinen einer gründlichen Reinigung unterzogen. Auch der Basar zu Gunsten des Johannisberger Kindergartens, der die stolze Summe von damals 5.775 Mark erbrachte, bleibt unvergessen. Besucht wurden die Landräte in Bad Schwalbach und die Bürgermeister im Rathaus. Immer noch in bester Erinnerung sind die in den 70er Jahren unternommenen Fahrten auf der Rheingauer Riesling Route mit Besuch aller 16 Weinbaugemeinden. „Aufregung gab es zum Glück nur einmal bei der Bundesgartenschau in Koblenz: Am Hauptbahnhof fehlten zwei Landfrauen , welch ein Schock. Der Vorstand blieb zum Suchen zurück. Und wo waren die zwei? Saßen gemütlich im Zug, da sie eine Station vorher eingestiegen waren“, erinnerte die Vorsitzende. Vorträge zum Thema Kultur, Gesundheit, Tier und Pflanzenwelt habe es gegeben, meterweise habe man Kuchen gebacken für das Erntedankfest in Wiesbaden und die neue Liste liege schon wieder schon aus. Eine schöne Tradition sei auch das „Werzwisch binden“ mit Katharina Daniel.
Und über 500 Veranstaltungen zu organisieren und durchzuführen, ist eine riesige Herausforderung, die die Landfrauen und ihre verschiedenen Vorstände glänzend bewältigt haben . Insgesamt kann man feststellen, dass die Johannisberger Landfrauen ihrer satzungsgemäßen Aufgabe „Weiterbildung der Landfrau - der Frau auf dem Lande“, mehr als gerecht geworden sind. „Starke Frauen, die auf dem Land leben, sind selbstbewusst und keine Mauerblümchen. Landfrauen sind füreinander da und setzten gemeinsam neue Impulse. Sie genießen das Miteinander und schöpfen daraus Lebensfreude“, hielt auch die Vorsitzende Karin Heise fest.
Doch nicht nur Erinnerungen und Gratulationen prägten den bunten Jubiläumsabend. Im Mittelpunkt stand das humorvolle, mit vielen Wahrheiten rund um die eigene Kindheit und Jugend gespickte und wundervoll dargebrachte Programm von Ulrike Neradt. Mit sichtlichen Spaß präsentierte sie aus ihren verschiedenen Büchern kleine Geschichten und Anekdoten und servierte mit ihrem einnehmenden Charme und ihrer großartigen Stimme immer wieder lustige Chanson in Rheingauer Mundart, die originell verdeutlichten, wie schnell die Zeit vergeht. So erzählte sie, wie ihr kleiner Bruder Peter, der heutige Präsident des Rheingauer Weinbauverbandes , einst zu knallroten Gummistiefelchen gekommen sei: „Wir waren in Urlaub am Hopfensee und halfen täglich beim Ausmisten im Kuhstall. Deshalb bekamen wir Gummistiefel, ich als Mädchen rote und Peter sollte schwarze bekommen“. Doch die wollte er nicht und machte das auch mit „Kreische und uff de Bodden schmeisse“ deutlich. Als die Familie mit Mutter, Oma und Tante dann ein paar Tage später einen Ausflug nach Österreich machte, regulär drei Flaschen Stroh-Rum für den Tee der Erntehelfer bei der Weinlese kaufte und auf „Vorrat“ drei weitere Flaschen in Peterchens Rucksack schmuggeln wollte, war seine große Stunde gekommen: „Wenn ich nit die rote Gummistiefel bekomm, dann verrat ich der Polizei an der Grenz, dass ihr mir drei Flaschen Alkohol in de Rucksack gesteckt habt“, drohte der kleine Kerl und bekam seine roten Gummistiefel. „Ob er sie heute noch hat, weiß ich nicht, und warum er sie so vehement wollt, auch nicht, schließlich war er später jo für die Schwarze im Landtag“, witzelte Ulrike Neradt.
Schließlich feierte man auch nach dem offiziellen Programm noch viele Stunden lang zusammen in fröhlicher Runde das stolze Jubiläum des Landfrauenvereines in Johannisberg.
Ein Bericht von Sabine Fladung vom 17.10.2019.
427