Deutsche Weinfachfrauen zu Gast im Rheingau
24.02.2017
Netzwerkwochenende von Vinissima Frauen und Wein e. V. fand im Rheingau statt/Genussroute in Breuers Kellerwelt und Vorträge an der Hochschule
Rheingau. (sf) Das einmal im Jahr stattfindende Netzwerkwochenende ist das Großereignis bei Vinissima, der bundesweiten Vereinigung von Frauen, die sich dem Wein verschrieben haben. "Abwechselnd findet das Wochenende immer in einer Großstadt oder in einem Weinbaugebiet statt", erläutert die Bundesvorsitzende von Vinissima, Susanne Wolf. Immer um die rund 150 Mitglieder aus dem ganzen Bundesgebiet kämen dann zusammen, um sich auszutauschen, kennenzulernen, wiederzusehen, weiterzubilden und "mit ganz viel neuem Input und Impulsen wieder nach Hause fahren". "Das Netzwerkwochenende ist also immer ein "Muss" für jede Vinissima", hielt Susanne Wolf in Rüdesheim fest und freute sich, dass so viele ihrer Vereinsmitglieder in den Rheingau gekommen waren. Denn nach 2007 war jetzt wieder der Rheingau mit seinen rund 50 aktiven heimischen Vinissima dran, das Netzwerkwochenende auszurichten. "Wir bieten ein umfangreiches Vortragsprogramm in Geisenheim auf dem Campus der Hochschule Geisenheim University an und haben ein tolles Rahmenprogamm vorbereitet", erläuterte die Rheingauer Vorsitzende des regionalen Vinissima-Verbandes. 160 Teilnehmerinnen aus ganz Deutschland seien der Einladung gefolgt, eine rekordverdächtige Beteiligung, was sicher auch daran liege, dass der Rheingau in der Mitte Deutschlands für alle so gut zu erreichen sei, meinte Susanne Wolf. Vom Bodensee bis Bremen waren die Vinissima angereist, um sich im Rheingau zu treffen. Die Altersspanne reicht von der 20jährigen angehenden Weinfachfrau bis hin zum fast 80jährigen Gründungsmitglied der Frauenvereinigung in Sachen Wein.
Auftakt zum Netzwerkwochenende war ein sehr vergnüglicher Abend unter dem Motto "Willkommen im Rheingau!" in Breuers Kellerwelt. Schon im Vorfeld hatte die Rheingauer Vinissima Wilma Herke, die auch ausgebildete Fremdenführerin ist, die früh angereisten Gäste zu einem Stadtrundgang durch das historische Rüdesheim eingeladen. 27 Gästen zeigte sie die versteckten Schönheiten der Touristenstadt unter dem Motto: "Abseits der Drosselgasse - Rüdesheim anders".
Später dann begrüßte die Rheingauer Vinissima-Vorsitzende Gabi Lang die zahlreichen Gäste zu einer unterhaltsamen, lehr- und genussreichen Weinreise ein. Die Gäste erhielten alle eine witzige "Fahrkarte von Wicker nach Lorchhausen", die mehrere Stationen wie eine Terroir-Weinprobe oder ein Farbweinprobe enthielt. Auch ein Rheingau-Quiz gab es nach der Genusstour durch den Rheingau zu absolvieren. So erfuhren die Vinissima unter anderem, wie der Geschmack des Weines nicht nur durch das Sehen beeinflusst wird, und fanden heraus, ob sie ihren Sinnen überhaupt noch trauen konnten. Auf wirklich vielfältige Weise erfuhren die Gäste, was den Rheingau und die Weinbauregion, dort "wo selbst der Rhein eine Pause macht", ausmacht. "Unsere Vinissima haben sich wirklich viel Mühe gegeben, diesen Abend so vorzubereiten und so gestalten", lobte Gabi Lang ihr Team. Ob Dekoration, Weinprobe, kulinarisches Essen passend dazu oder die gesamte Organisation: die Ideen seien in dem Team, das den Genussabend zum Auftakt organisiert hatte, nur so gesprudelt. Ein besonderer Dank ging auch an Teresa Breuer, die die Kellerwelt kostenlos für diesen Abend zur Verfügung gestellt hatte. Das Ergebnis der Genussroute war dann auch sehr überzeugend und wirklich alle Damen hatten sichtlichen Spaß an ihrer "Genussfahrt" durch den Rheingau. "Ein wunderbarer Start in das Netzwerkwochenende", dankte Susanne Wolf den engagierten Rheingauer Vinissima.
Vorträge und Workshops
Am Samstagmorgen ging es dann in der Hochschule in Geisenheim weiter, wo eine Reihe Vorträge, Workshops und Verkostungen die Damen erwartet. "Auch das ist einfach ideal, dass wir hier die Weinbau-Hochschule mit weltweitem Ruf nutzen können", fanden die Vinissima, von denen viele die Hochschule auch selbst als Studentinnen kannten. Und so fand manche "ihre Bank" wieder, als die Vorsitzende Susanne Wolf im Gerd-Erbslöh-Hörsaal die Damen begrüßte und das "Zukunftskonzept Vinissima" vorstellte. Auch die neuen Mitglieder wurden durch Beirätin Trixi Bannert vorgestellt. Danach ging es los mit den Vorträgen: Über die "Internationalisierung des Weines" sprach Vinissima Prof. Dr. Monika Christmann. Die Leiterin des Instituts für Önologie an der Hochschule Geisenheim und OIV-Präsidentin referierte darüber, in wieweit sich die Weinbereitung in den vergangenen Jahren auf Grund verschiedener Faktoren "vereinheitlicht" hat und wie weit das geht. Sie setzte sich damit auseinander, ob Terroir überhaupt noch eine Rolle spiele und welche Faktoren hier mitwirken. Die freiberufliche Sommeliere und Vinissima Britta Giese lud zum Vortrag "Wein in Südostasien und China" und gab einen Überblick über diese Regionen in Bezug auf den Weinkonsum, die Trends, den kulturellen Umgang mit Wein, sowie die Aspekte des Weinanbaus in China und Thailand. Während des Seminars wurden Weine aus Thailand und China verkostet.
"Immer am Puls der Zeit - das eigene Geschäftsmodell auf dem Prüfstand" war das Thema von Vinissima Natascha Popp von der Wein & Rat GmbH, die zusammen mit Vinissima Susanne Rummel nicht nur bei einer anstehenden Betriebsübergabe an die nächste Generation, sondern grundsätzlich das eigene Geschäftsmodell in regelmäßigen Abständen genauer unter die Lupe nahm und Fragen aufwarf wie "Sind wir noch auf Kurs und am Puls der Zeit? Welche Korrekturmaßnahmen sind notwendig? Wie kann man den Kundenstamm lebendig und aktiv halten? Wie können wir auf aktuelle Trends und veränderte Kundenwünsche reagieren?". Der Wettbewerb steige, Kunden würden untreuer, die Vermarktungskanäle hätten sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert, erläuterte die Referentin und zeigte auf, wie man Alleinstellungsmerkmal herausarbeiten könne, authentisch sein und den Kunden eine gute Geschichte erzählen kann. "Wir können in diesem Seminar nicht alle Fragen beantworten. Mein Ziel ist es daher, Denkanstöße, Ideen und Werkzeuge an die Hand zu geben", erläuterte sie. Zusätzlich gab es noch einen kleinen Exkurs, wie man die Übergabe an die Kinder gut vorbereiten kann, welche Schritte notwendig sind oder wie vielleicht die Übergabe auch Teil des Konzeptes werden kann. "Zum Beispiel mit einer eigenen Weinlinie der Kinder". Untermauert wurde der Vortrag durch Beispiele und Impulse aus der Praxis von Vinissima Susanne Rummel, die aktuell in ihrem Betrieb diesen Fragen nachgeht.
Ein Vortrag von Prof. Dr. Monika Christmann beschäftigte sich mit "Light-wine": "Der Trend geht hin zu Produkten mit weniger Alkohol. Bedeutet dies weniger Weingenuss oder benötigen wir neue Produkte, die ansprechend sind, aber trotzdem weniger Alkohol enthalten?", so Christmann. Sie erläuterte, wie diese Weine hergestellt werden und was die Problematiken dabei sind. Auch wie sie schmecken konnten die Teilnehmer erfahren.
Vinissima Christine Scharrer lud in ihrer Diskussionsrunde dazu ein, darüber zu sprechen, ob ein "Wein fremd gehen darf" und Premiumwein auch im Lebensmitteleinzelhandel verkauft werden sollte. "Bei kaum einem anderen Produkt gibt es so viel Gegenwind bei der Erweiterung eines Distributionsweges wie beim Wein. Aufgrund eines veränderten Konsumentenverhaltens, einem seit Jahren rückläufigen Absatz im Fachhandel und im Ab-Hof-Verkauf stehen Produzenten unter Druck, neue Absatzwege zu erschließen. Und der LEH bringt attraktive Alternativen. Jedoch sorgt dies für Interessenskonflikte mit den Akteuren des Fachhandels und der Gastronomie", so Scharrer. Man sprach darüber, wie ein Weinproduzent in diesem wettbewerbsorientierten Marktumfeld "fremdgehen" kann, ohne ausgelistet zu werden oder "in Schönheit zu sterben".
"Grundlagen der Sensorik" und ein Ehrfahrungstest, den Wein mit allen Sinnen zu genießen und zu beurteilen, boten Christina Schillinger, Brigit Gabel, Ulrike Kalt und Christa Jüngling in ihrem Workshop an. Die Teilnehmer konnten intensiver erfahren und erleben, wie Wein professionell verkostet und bewertet wird. Natürlich gab es auch bisschen Theorie, im Mittelpunkt stand aber die praktische Verkostung. Mit Standards und rebsortentypischen Weinen, deutschen wie internationalen, wurden die Wahrnehmung und das Beurteilungsvermögen trainiert.
Zusammen mit dem Hausherrn und Präsidenten der Hochschule Geisenheim Prof. Dr. Hans Reiner Schultz lud Vinissima Lucie Dermentzoglou dazu ein, sich mit dem Klimawandel und den Auswirkungen auf den deutschen Weinbau heute und in der Zukunft zu beschäftigen. "Der Klimawandel bringt durchschnittlich mehr Wärme nach Deutschland und ermöglicht dadurch den Anbau von ursprünglich südlicher angesiedelten Rebsorten. Zugleich sorgt er aber auch für unberechenbare Wetterkapriolen. Viele Faktoren und mögliche Zukunfts-Szenarien werden aktuell diskutiert, Daten gesammelt und ausgewertet", so Gastredner Prof. Dr. Schultz. Neben einer Einleitung und einem Überblick über die Klimafaktoren gab es auch einen Einblick in die aktuellste Forschung und die möglichen Szenarien für die deutschen Weinbauregionen.
Ulrike Heller und Kollegin Gerlinde Kreuzkom verdeutlichten in ihrem Workshop "Markenpositionierung und Social Media als Basis für einen konsequenten und integrierten Unternehmensauftritt" die Ausarbeitung einer Markenidentität, Schritte einer Marketingstrategie und die vier Marketinginstrumente mit dem Schwerpunkt Preis, Übersicht über die wichtigsten Social-Media-Kanäle und deren Bedeutung. Mit dem Vortrag wolle man das Bewusstsein der Unternehmerinnen für die Bedeutung von Social Media stärken, erläuterten die Referentinnen.
Schließlich gab es noch den Workshop "Schaumweine neu entdeckt", in denen die Tanja Rosenthal, Gerhild Burkard und Dörte Kühn-Nagel "die Korken knallen" ließen. "Die Deutschen sind Weltmeister im Schaumwein trinken. Der prickelnde Gaumengenuss spiegelt Lebensfreude, Luxus und Eleganz wieder", erklärten die Referentinnen und gaben einen Überblick, wie es um den deutschen Schaumweinmarkt steht und warum die perlenden Getränke so beliebt sind. Dabei kam man auch im Selbsttest dem Mythos und den Geheimnissen rund um die sagenumwobenen Tropfen auf die Spur, denn die Damen ließen sich gerne in die schäumende Welt mit ihrem wunderbaren Facettenreichtum entführen. An vielen Genussbeispielen lernten sie die Besonderheiten herauszuschmecken und befassten sich mit den unterschiedlichen Herstellungsmethoden und -philosophien aus verschiedenen Anbauregionen. Auch neue Trends und weniger bekannte Schaumweine wurden vorgestellt.
Nach einem so umfangreichen Tagesprogramm, gab es dann einen gemütlichen Abend mit Flying Buffet und eine Tanz-Party mit DJ im Weingut Trenz in Johannisberg. Die begleitenden Männer hatten am Tag ihr eigenes Programm, das Hans Lang und Matthias Corvers speziell für die Männer initiiert hatten.
Am Sonntagmorgen ging es weiter mit dem Vortrag von Vinissima Prof. Dr. Ruth Fleuchaus von der FH Heilbronn, die ein Plädoyer für die Marke in der Weinwirtschaft hielt: "Immer enger werdende Märkte, steigender Konkurrenzdruck und ein Zustand der Informations- und Reizüberflutung beim Verbraucher zwingen Unternehmen dazu, sich über eine spezifische Positionierung und Markierung vom Wettbewerb abzuheben. Kaum eine Branche ist in so ausgeprägter Form gekennzeichnet von internationalem Wettbewerbsdruck sowie Verdrängung durch Substitutionsprodukte wie die Weinbranche. Dazu setzt die Marktmacht des Handels kleine und mittelständische Unternehmen stark unter Druck. Ein nicht über- und durchschaubares Angebot am Markt fordert das Thema Marke geradezu heraus. Denn nur Marken können in einer Flut austauschbarer Produkte wirkliche Wettbewerbsvorteile schaffen und sowohl den Handel als auch die Kunden an sich binden", so die Referentin, die aufzeigte, welche Bedeutung und welchen Nutzen eine starke Marke hat.
Zur Existenzgründung informierte Vinissima Katharina Wegner, die als selbständige das Weinveritas Concept Store Wiesbaden gründete, unter dem Motto "Mut alleine reicht nicht": " Wer neu gründet hat viele Fragen, muss vieles berücksichtigen und noch mehr organisieren. Es fällt oft schwer, den Überblick zu behalten, die beratenden und maßgeblichen Stellen wie Bank, Steuerberater oder auch die zuständige IHK helfen meist nur sehr partiell weiter. Unzählige Termine, Zeit, Nerven und Geld könnte man sparen, wenn man so einiges vorher wüsste", so Wegner, die ihre Erfahrungen mit Vinissima teilte, die gründen möchten oder eine Existenzerweiterung und Modernisierung vor sich haben.
Wie man erfolgreich Verhandlungen führt, professionell vorbereitet und wirkungsvoll durchführt, erfuhr man im Workshop vom Petra Peres, die sich mit Gespräche mit Kunden, Lieferanten oder Verwaltungsangestellten und einem guten Ergebnis in Verhandlungsführung auseinandersetzte.
Besonderes Interesse gab es auch für den Sensorik-Kurs "Schokolade und Wein" mit Doris Häge, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hochschule Geisenheim: "Vollmilchschokolade ist nicht gleich Vollmilchschokolade", informierte sie und lud zum Blick über den Tellerrand, informierte über Herstellungsprozesse und sensorische Parameter.
Seinen Ausklang fand das Netzwerkwochenende mit der jährlichen Hauptversammlung der Vinissima am Sonntagnachmittag.
Ein Bericht von Sabine Fladung vom 24.02.2017.
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