Der Name der Rose und der Eule
24.08.2017
Henni Nachtsheim und Rick Kavanian offenbarten mit ihrer Lesetour "Dollbohrer" im KUZ Eichberg, dass Werke der Weltliteratur völlig anders geschrieben wurden
Eichberg. (sf) Jetzt ist es endlich raus: die Eule "Reenaatchen" mit holländischem Migrationshintergrund und eine schnöde Motte in Komplizenschaft sind eigentlich für den verheerenden Brand der 9733 Bücher starken Bibliothek in Umberto Ecos berühmtem Mittelalter-Roman "Name der Rose" verantwortlich: live erlebten die zahlreichen Gäste im Festsaal auf dem Eichberg die zwei Eulen, die auf einem Baum über der noch vor sich hin kokelnden Ruine thronen, sich im Kaffeekränzchen-Geschnatter darüber austauschen, wie eine kleine Motte dem alten Gemäuer zum Verhängnis wurde. "Ei wie is des dann bassiert", fragte die Eule Jutta in hessischer Mundart (gesprochen von Henni Nachtsheim). "Reennaade" mit kuriosem holländischem Akzent, den Rick Kavanian wunderbar imitierte, offenbarte, dass sie hungrig eine dicke fette Motte durch das ganze Kloster gejagt hatte, was zu mehreren Todesfällen und schließlich dem großen Feuer in der Bibliothek geführt hatte. "Echt schad", war der Kommentar von "Jutta" zu der grotesken Geschichte, wie das Feuer die Kloster-Bibliothek dem Erdboden gleichmachte - beim Publikum sorgte sie für Lachtränen. "Schon allein wegen dieser Geschichte hatten wir uns heute Abend besonders gefreut, hier aufzutreten", sagte Henni Nachtsheim hochmotiviert und spielte dabei auf das nahe gelegene Kloster Eberbach an, in dem ein Teil des Films "Der Name der Rose" gedreht wurde. Kein Wunder also, dass Nachtsheim und Kavanian das "Der Name der Rose"-Kapitel noch ein zweites Mal vorlasen, als letzte Nummer ihrer Zugabe. Und diesmal gab es die bereits bekannte Geschichte im kuriosen Freistil, wobei jeder nach Lust und Laune alle paar Sätze den Dialekt änderte: so sprachen die Eulen mal Chinesisch, mal Indisch, mal Griechisch, mal Österreichisch, mal Französisch und mal Berlinerisch. Der Spaß, den die beiden Akteure auf der Bühne dabei erkennbar hatten, ging ganz und gar auch auf das Publikum über, das schon den ganzen Abend lang Tränen gelacht hatte.
Mit ihrer herrlich kuriosen Lesetour "Dollbohrer" hatte das Kulturzentrum auf dem Eichberg (KUZ) ein ganz besonderes Highlight in den Rheingau geholt: Henni Nachtsheim, bekannt von "Badesalz", und Rick Kavanian aus dem Team der "Bullyparade" offenbarten zusammen mit Musiker Martin Johnson, dass Werke der Weltliteratur völlig anders geschrieben wurden. Denn mitten im schönen Odenwald, irgendwo zwischen Brensbach und Groß-Bieberau, ereignete sich vor nicht allzu langer Zeit ein Zwischenfall, der dazu angetan war, die Welt- und vor allem die Literaturgeschichte in einem ganz neuen Licht erscheinen zur lassen: "Nachdem ein Baggerfahrer aus Semd bei der Arbeit mit seinem schweren Gerät eingenickt war, rammte er die Baggerschaufel ungeschickt in die Erde und legte dabei einen erstaunlichen Fund frei. In dem Loch entdeckten Archäologiestudenten der Fachhochschule Darmstadt das berühmte "Handkäszimmer", das es an weltgeschichtlicher Bedeutung durchaus mit dem verschwundenen Bernsteinzimmer aufnehmen kann. Doch damit nicht genug: In einem Nebenraum lagerten Pergamentrollen, auf denen sich verschollene, bisher unveröffentlichte Kapitel von Werken der Weltliteratur fanden", erläuterte ein spannender Vorfilm zur Einführung, mit so schrägen Bildern untermalt, dass schon jetzt verstohlen die ersten Tränen des lachenden Publikum weggewischt wurden. "Eine Sichtung der Papiere offenbarte, dass viele der berühmtesten Werke ursprünglich ganz anders konzipiert waren. Vollkommen entstellende Veränderungen hatte es sowohl bei den beschriebenen Schauplätzen als auch den auftretenden Figuren gegeben. Manche Akteure waren gänzlich entfernt oder zumindest umgedichtet worden, zudem verschwand der ursprünglich in fast allen Werken vorhandene "hessische" Einschlag", hieß es in dem Film. Gesammelt, geordnet und 2013 als Buch unter dem Titel "Dollbohrer!" herausgebracht wurden diese bisher unbekannten Kapitel von Komiker Henni Nachtsheim, vielen als die eine Hälfte der hessischen Comedytruppe "Badesalz" bekannt. Um die erstaunlichen Erkenntnisse, die die Sammlung verschollener Manuskripte enthält, einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, schlug Nachtsheims Verleger eine "Dollbohrer!"-Lesetour vor. Doch Henni bekannte vor dem Publikum im KUZ auf dem Eichberg, dass er gänzlich unbegabt ist beim Vorlesen: "Meine Nichten und Neffen haben sich einmal fast kaputt gelacht, als ich ihnen "Winnie Puh" vorlas: "Mama liest ja schon Scheiße, aber Du bist die Krönung". Um die Gesundheit der Kinder nicht zu gefährden, ließ Henni dann in seiner Puh Geschichte eine Biene den kleinen Bären in die Zunge stechen und sterben. Für seine Lesetour, die ihn zum Millionär machen könne, wie der Verleger versprochen hatte, holte sich Nachtsheim dann lieber Unterstützung bei seinem Comedy-Kollegen Rick Kavanian, bekannt als Mitglied der "Bullyparade" und aus den Kinokassenschlagern "Der Schuh des Manitu" und "Traumschiff Surprise".
Die beiden Vollblutkomiker verstanden es dann auch prächtig, im fliegenden Wechsel die herrlich schrägen Kapitel des Buches vorzulesen und das mit sichtlichem Spaß an der Sache. Selbst die an passenden Stellen von Martin Johnson eigenspielte Musik und Soundeffekte sorgten für allgemeines Vergnügen beim Publikum und den Akteuren. Einfach Spitze war das breite Repertoire an Stimmen und Dialekten, mit denen Rick Kavanian und Henni Nachtsheim den Figuren Leben einhauchten.
Ganz schnell wurde dann auch klar: jetzt ist Schluss mit auf 1000 Seiten oder in zehn Bänden breit getretenen Klassikern der sogenannten Weltliteratur. Kurz und knapp, knackig-frisch und hessisch schnurrten die bekannten Sagas auf das Wesentliche zusammen, entstanden in wenigen Zeilen ganz neu und zeigten eine bisher nie bekannte Facette: so musste sich Moses mit einem pfiffigen Klempner aus Hessen auseinandersetzen, um das Rote Meer zu bändigen. Denn es war nicht Gottes Allmacht, die es den Israeliten ermöglichte, trockenen Fußes vor den Ägyptern zu fliehen, sondern der ebenso kleinwüchsige wie in quirligem Hessisch drauflos plappernde Klempner-Meister Manni Euler und sein fleißiges Team von Gas-Wasser-Installateuren. Nur mit kompetenter Hilfe von Klempner Manni und dessen ausgeklügelten Schlauchpumpensystemen hatte Moses den Weg durchs Rote Meer geschafft. Und das Klempnerteam war auch dafür verantwortlich, dass die erkleckliche Sauerei in der "Psycho"-Dusche von Hitchcocks "Bates Motel" sauber gemacht wurde. Denn Hessen verdankt die Welt nicht nur Goethe und den Handkäs, sondern auch Robinson Crusoe, Moby Dick, Don Vito Corleone, Graf Dracula, Harry Potter, Huckleberry Finn, die drei Musketiere und viele weitere Klassiker bis eben hin zum Buch der Bücher, der Bibel. Diese von Henni Nachtsheim nun endlich offenbarte Wahrheit tat wirklich weh und zwar im Zwerchfell. Man erfuhr, dass Dumas Degen-Helden "Die drei Musketiere" eigentlich hessische Drillinge und Fans von Keith Richards waren. Und "Der Pate" sollte ursprünglich nicht in New York-Brooklyn, sondern in einem Freibad in Bad Soden im Taunus spielen. Und das legendäre "Quidditch"-Spiel aus Harry Potter hieß eigentlich "IchkrieDich!" und hatte ganz andere Spielregeln. Man erfuhr, warum der klebrige Sex-Bestseller "Feuchtgebiete" viel mehr mit der eingefetteten Weihnachtsgans nach dem Rezept von Mama Nachtsheim zu tun hat als mit den schlüpfrigen Fantasien von Frau Roche. "Tut em Lebe was überschwappe, brachste halt e Lappe, lautet das Motto des Dixi-Klo-Spezialisten Euler, der im passenden Blaumann in dieser irrwitzigen Comedyshow immer wieder mal mit Lebensweisheiten auftauchte aus der Untiefe des Literaturfundus, in dem alles möglich schien. Auch die Klitschko-Brüder, die Jakob Sisters, Udo Lindenberg und Peter Maffay tauchen aus der Literaturwelt auf und unter und im Baumarkt herrschte der "Herr der Ringe", zwischen "Unnererd und Owwererd" also. Der Mix aus feinster Comedy, guter Musik, Lesung, gemeinsamen Blödeleien, hessisch-bayrischer Freundschaft und Komik war ein kurzweiliger und saukomischer Abend, der das Leseverhalten der Besucher nachhaltig verändern wird.
Ein Bericht von Sabine Fladung vom 24.08.2017.
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