Kostbare Weinbaugeschichte getrunken

30.11.2017

Weinbauverein veranstaltete große Raritätenprobe zum Jubiläum "1200 Jahre Weinbau in Johannisberg"/Humorvolle Zeitreise mit Prof. Dr. Leo Gros

Johannisberg. (sf) "Von "6 Fuder Wein", die man jährlich ernten könne, an einem Ort namens Elsterbach auf der "ebsch Seit" berichtet die historische Urkunde von 817, in der vor 1200 Jahren erstmals der Weinbau in Johannisberg dokumentiert ist. Die humorvolle "Übersetzung" der in Latein geschriebenen Urkunde stammt von Prof. Dr. Leo Gros und sorgte bei der großen Raritätenweinprobe zum Jubiläum "1200 Jahre Weinbau in Johannisberg" für viel Heiterkeit. Wie so vieles an diesem Abend: der geniale Chemie-Professor, der seit Jahren einen legendären Ruf unter anderem als Auktionator bei den großen Weinversteigerungen in Kloster Eberbach hat, lud zu einer ebenso lehrreichen wie humorvollen Zeitreise durch 1200 Jahre Weinbaugeschichte, die er mit vielen Zitaten, kleinen, durchaus auch sehr persönlichen Anekdoten und gern auch mal deftigen Witzen würzte. Über vier Stunden lang unterhielt Leo Gros die rund 200 Gäste im Festsaal des Schloß Johannisberg.

Der Johannisberger Weinbauverein mit seinem Vorsitzenden Michael Städter an der Spitze hatte zu der Jubiläumsweinprobe eingeladen und den festlichen Abend zusammen mit zahlreichen Helfern aus dem Verein, aus den Reihen der Johannisberger Weinkritik, den Winzern der Weinbaugemeinde und ganz jungen Unterstützern im Ausschank organisiert, vorbereitet und mit Erfolg durchgeführt. Dafür gebührte ihm nicht nur der Dank des Rheingauer Weinbaupräsidenten Peter Seyffardt, der in seinem Grußwort lobend heraushob, dass die Johannisberger mit dieser Veranstaltung die legendäre Tradition der großen Weinproben im Rheingau neu belebten. Er erinnerte daran, dass der Rheingau jahrzehntelang weltbekannt für seine Raritätenproben gewesen sei und es unter Weinfreunden regelrecht "Schlachten" um die Eintrittskarten gegeben habe. Der Weinbaupräsident machte zudem klar, dass Johannisberg für den Weinbau im Rheingau prägend gewesen sei und zitierte den Weinjournalisten Stuart Pigott: "Der Urknall des Rieslings war in Johannisberg". Die heute weltbekannte Rieslingrebe habe tatsächlich ihren Ursprung in den Rheinauen, habe besondere Ansprüche und bis heute gerade im Rheingau die besten Vorrausetzungen zum erfolgreichen Gedeihen. Ihren Weltruf habe sie vor allem auch dem Johannisberg zu verdanken, nicht zuletzt wegen der "Erfindung" der Spätlese im einstigen Kloster Johannisberg.
www.rheingau.de/wein/spaetlese

Und wie gut diese Weine auch heute noch munden, durften die 200 Gäste in der "ehemaligen Tennishalle von Fürst Metternich", wie Prof. Gros erläuterte, natürlich auch live erleben: 17 herausragende Weine und einen Sekt gab es als "Geschichte zum Trinken" in das Glas. Den Anfang machten ein 2012er Pinot Noir Johannisberger Hölle QBA vom Weingut Chat Sauvage www.chat-sauvage.de und ein 2016er Orleans, Rüdesheimer Berg Rottland von Weingut Dr. Gietz. Dann folgten nur noch Rieslinge: mit einem 2016er Johannisberger Goldatzel Spätlese trocken vom Weingut Goldatzel, einem 2015er "MC" QBA trocken vom Weingut Michael Gietz www.winzerhaus-johannisberg.de und einem 2015er Johannisberger Klaus VDP Großes Gewächs vom Weingut Prinz von Hessen www.prinz-von-hessen.de zunächst eine Reihe frischer Weine der letzten Jahre. Der erste gereiftere, der ins Glas kam, war ein 2002er Johannisberger Hölle Erstes Gewächs vom Weingut Johannishof www.weingut-johannishof.de und Prof. Gros warf ein, dass dies eines der guten Argumente sei, Rieslingweinen Zeit zum Reifen zu geben und sie nicht zu frisch zu trinken. Auch der 2016er Riesling Kabinett feinherb vom Weingut Abteihof Str. Nikolaus und der 2016er Riesling Rotlack, Kabinett feinherb vom Weingut Schloss Johannisberg zeigten schon ihr großes Potential im Glas, das sich vermutlich mit einigen Jahren Lagerung noch mehr verbessern wird. In kleinen "Flights", laut Prof. Gros eine der vielen neuen Vokabeln in der Weinsprache, die ihm recht ungewöhnlich anmuten, wie auch "Trinkfluss" für ein "Wei, der gut zu schlucke is", wurden mehrmals zwei Weine zum Vergleich eingeschenkt wie auch die 2011er Johannisberger Goldatzel lieblich vom Weingut Martin Klein und eine 2015er "Generation3" Spätlese vom Weingut Hanka www.weingut-hanka.de.

Zu jedem der Weingüter, die bei der Probe einen Rebensaft anstellten, gab es umfassende Informationen von dem Moderator, der die historischen Geschichten zu den Weinbaufamilien auch stets mit humorvollen Anekdoten würzte: "Zwa Winzerbube hatte sich gerangelt und gestritte. Bis der one sachte: "Geh fort, du bist doch koon richtige Johannisberger, ihr seid jo erst 100 Jahr im Ort".

Und natürlich gab es auch viele Zitate aus der Weltliteratur, in denen der Johannisberger Wein eine Rolle spielte: Prof. Dr. Leo Gros jonglierte mit Texten von Wilhelm Hauf, der just an diesem Abend 200 Jahre alt geworden wäre, über Heinrich Heine bis hin zu jüdische Kinderbuchautoren. Und auch herausragende Persönlichkeiten rund um den Johannisberg wie Christian Labonte, Josef Staab, Winfried Herold, Erwin Boos oder Wolfgang Schleicher ließ Prof. Leo Gros nicht unerwähnt. Er berichtete von ihren Verdiensten um den Weinbau in Johannisberg und im Rheingau. Dazu gab es ebenfalls wieder viele Anekdoten wie die vom Schloßkellermeister Göttert, der gesagt haben soll: "Bub, merkt Dir: wenn ein Wein schnell fertisch ist, dann is er ach im Glas schnell fertisch". Es gab köstliche Exkursionen zu Spitznamen unter den Winzern wie vom "Winzer Kaltwasser und seim Storch", romantische Geschichten wie die von seinem Schwiegervater, der "en Maul voll" besonders kostbaren Wein aus einer Probe zu seiner Frau brachte, damit sie den Wein probieren konnte, und hoch interessante historische Fakten rund um 1200 Jahre Weinbau in Johannisberg.

Ehrfürchtig probierten die Gäste dazu die edlen Raritäten, die nach der Pause ins Glas kamen: eine 2002er Johannisberger Goldatzel Spätlese vom Weingut Emil Keidel, ein Weingut, das heute leider nicht mehr existiert und das als "1-Hektar-Betrieb" den Staatsehrenpreis erhielt, gefolgt von zwei 2011er Auslesen, ein Geisenheimer Kläuserweg www.rheingau.de/wein/weinlagen/geisenheimer-klaeuserweg vom Weingut Weihermühle und eine Johannisberger Hölle www.rheingau.de/wein/weinlagen/johannisberger-hoelle vom Weingut Trenz. Vom Weingut Schamari-Mühle, dessen neue Besitzer Familie Reck auch anwesend waren, gab es eine 2005er Geisenheimer Kläuserweg Beerenauslese zu trinken und der 1973er Johannisberger Hölle Beerenauslese-Eiswein vom Weingut Achim Zerbe, der am 3. Dezember 1972 mit 141 Grad Oechsle gelesen worden war, läutete den krönenden Abschluss des Abends ein. Denn schließlich gab es mit einer 1964er Johannisberger Kochsberg Trockenbeerenauslese vom Weingut G.H. von Mumm und einem 1948er Schloss Johannisberger Orangelack Auslese vom Weingut Schloss Johannisberg zwei "Hut ab!"-Weine ins Glas, die die Gäste ganz demütig und ehrfurchtsvoll werden ließen. Weit über 1000 Euro würden Flaschen dieser Weine heute auf Auktionen erbringen, erklärte Prof. Gros und dankte zusammen mit dem applaudierenden Publikum den Winzern für ihre großzügigen Weinspenden für die Jubiläumsweinprobe.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 30.11.2017.

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