Jahrhundertwein oder Klimawandel-Katastrophe?

23.08.2018

Weinbauberater Berthold Fuchs
Weinbauberater Berthold Fuchs

Weinbauberater Berthold Fuchs von Dezernat Weinbau in Eltville beantwortet zehn Fragen über die Auswirkungen der Hitzewelle auf den Weinbau im Rheingau

Rheingau.(sf)Seit über 2 Monaten hat es kaum geregnet und die Hitzewelle erreicht immer wieder neue Rekorde. Die hohe Sonneneinstrahlung, der immer wieder aufkommende Wind und die auch nachts kaum abkühlenden Temperaturen haben mit enormer Trockenheit deutschlandweit für Schreckenszenarieren in der Landwirtschaft gesorgt.

Doch wie wirkt sich dieser heiße Sommer auf den Weinbau im Rheingau aus? Immer wieder hört man sehr unterschiedliche Einschätzungen: die einen sprechen von einem möglichen Jahrhundertwein, andere wiederum sehen auch eine Klimawandel-Katastrophe für den Weinbau. Um einen besseren Einblick davon zu bekommen, wie die Reben im Rheingau auf diesen extrem heißen Sommer reagieren und was die Weinfreunde dann später im Glas erwartet, hat Rheingau.de dem Weinbauberater des Dezernates Weinbau, vormals Weinbauamt Eltville, Berthold Fuchs in einem Interview zehn Fragen gestellt.

Der gebürtige Lorcher und ehemalige Rheingauschüler hatte nach dem Abitur ein einjähriges weinbauliches Praktikum in der damaligen Forschungsanstalt Geisenheim und beim Domänenweingut Schönborn absolviert. Daran schloss Fuchs ein Weinbau-Studium an der Fachhochschule Geisenheim an und arbeitete zunächst ein Jahr in einem Familienbetrieb am Mittelrhein. Schließlich war Berthold Fuchs zehn Jahre Außenbetriebsleiter beim Domänenweingut Schloss Schönborn in Hattenheim, bis er 1992 Weinbauberater beim Weinbauamt Eltville wurde. Seit 2001 gehört dieses Amt als Dezernat Weinbau zum Regierungspräsidium Darmstadt.

Rheingau.de: Lieber Herr Fuchs, vielen Dank, dass Sie sich unseren Fragen stellen. Wie wirkt sich dieser heiße Sommer auf den Weinbau im Rheingau aus?

Berthold Fuchs: Zunächst war der Einfluss durchaus positiv. Im Winter gab es keinen nennenswerten Frost, es fielen ausreichend Niederschläge und die Temperaturen stiegen schon im April auf sommerliche Werte. Dadurch trieben die Reben schon eine Woche früher aus als üblich. Da es danach weiterhin sehr warm blieb, legte die Rebentwicklung den Turbo ein und der Vorsprung gegenüber dem langjährigen Mittel wuchs stetig weiter. Mittlerweile hat er bereits mehr als 3 Wochen erreicht.

R: Schadet die lange anhaltende Trockenheit den Reben?

Berthold Fuchs: Im Gegensatz zu den anderen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen wurzelt die Rebe sehr tief, kommt also noch an ausreichend Wasser, während andere Pflanzen schon lange vertrocknet sind. Dadurch kann die Rebe lange Trockenperioden recht gut und schadlos überstehen. Allerdings bei Junganlagen sieht die Sache anders aus. Junge Reben haben noch kein ausreichend tiefes Wurzelwerk, sodass die Jungfelder derzeit besonders leiden und teilweise sogar ums Überleben kämpfen. Hier hilft dann nur noch gießen, und damit sind momentan viele Winzer ausgiebig beschäftigt.

R: Spielen die unterschiedlichen Terroirs, also Bodenbeschaffenheiten der verschiedenen Weinlagen, eine Rolle bei der Reifung der Trauben unter solchen Hitzebedingungen?

Berthold Fuchs: Bodenart und Humusgehalt sind verantwortlich für die Wasserhaltekraft der Böden, also wie groß die verfügbaren Wasserreserven des Standortes sind. Dazu kommt die Mächtigkeit des Bodens, also wie dick ist die Bodenauflage und in welcher Tiefe stehen Fels oder andere schwer durchwurzelbare Bodenschichten an. Reben in den steinigen Steillagen haben es dabei besonders schwer, allerdings sind diese Reben dort aber auch besonders gut an Stressbedingungen angepasst und wurzeln ohnehin schon tiefer als Reben in "komfortableren" Bodenarten.

R: Können Trauben Sonnenbrand bekommen?

Berthold Fuchs: Trauben können nicht nur Sonnenbrand bekommen, sie können bei Extremtemperaturen sogar auch regelrecht verkochen. Gegen den Sonnenbrand gibt es aber ein sehr einfaches Gegenmittel, nämlich Abhärtung. Deshalb entfernen die Winzer schon kurz nach der Blüte einen Teil der Blätter in der Traubenzone, um die jungen Trauben schon frühzeitig an die UV-Strahlung zu gewöhnen. Das funktioniert ganz gut, aber auch nur dann, wenn diese Maßnahmen auch tatsächlich früh erfolgen. Werden die Blätter erst spät entfernt, also erst dann, wenn die Beeren schon voll entwickelt sind, fehlt ihnen diese natürliche Abhärtung und sie kollabieren.

R: Wie wird sich die Trockenheit auf die Erntemenge auswirken?

Berthold Fuchs: Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Trauben-Behang ist eigentlich sehr gut, so dass wir momentan von einer durchschnittlichen Erntemenge ausgehen können. Sollte aber nicht bald der ersehnte Regen kommen, könnte die Most-Ausbeute aber auch deutlich geringer ausfallen als erwartet. Andererseits, sollte jetzt Regen kommen, und dann aber im Übermaß, werden sich die Beeren vollsaugen, zum Teil so sehr, dass sie aufplatzen, die Folge wären dann faulende Trauben, die gegebenenfalls nicht mit geerntet werden können, was dann ebenfalls die erhofften Erträge mindern würde.

R: Wird dieser Super-Sommer auch einen Super-Weinjahrgang bringen?

Berthold Fuchs: Da stehen die Zeichen momentan auf "sehr gut, aber auch hierbei wird der weitere Witterungsverlauf der nächsten Wochen entscheidend sein. Was wir jetzt bräuchten, wäre ein ergiebiger Landregen, moderate Tagestemperaturen und eine deutliche Abkühlung in der Nacht. Aber darauf haben wir leider keinen Einfluss und können deshalb nur sagen: "2018 wird ein Super-Weinjahrgang - vielleicht aber auch nicht!

R: Es wird vermutlich eine frühe Lese geben. Auf was müssen die Winzer besonders achten, was ist anders als später im Jahr?

Berthold Fuchs: Eine frühe Lese bedeutet auch immer, dass die Trauben bei wärmeren Temperaturen geerntet, und so in einem aufgewärmten Zustand eingefahren werden. Dadurch sind die Moste mikrobiologisch hochaktiv und die Trauben müssen sehr schnell weiterverarbeitet werden, um kellerwirtschaftliche Probleme so gering wie möglich zu halten. Der Winzer steht also noch einmal zusätzlich unter Druck, da alle notwendigen Arbeitsschritte zügig und reibungslos erfolgen müssen. Improvisation und logistische Meisterleistungen sind in diesem Jahr also sicherlich öfter gefragt als bei einem späten Herbst Dazu kommt, dass sich die Säuren in den Trauben bei warmen Nachttemperaturen während der Reifephase schneller abbauen als üblich. Das kann dann dazu führen, dass Trauben wegen des schnellen Säureabbaus früher gelesen werden müssen, als es eigentlich aufgrund des allgemeinen Zustandes der Trauben notwendig wäre.

R: Ist dieser heiße Sommer gut für den Riesling oder wünschen sich die Winzer andere Verhältnisse?

Berthold Fuchs: Der Riesling ist eine Rebsorte, die ihr größtes Potential unter kühleren Klimaten am besten abrufen kann und wird deshalb vor allem in den nördlicheren Weinbaugebieten angepflanzt. Dort entstehen die besten Rieslingweine. Allerdings hat der Riesling aber auch den Vorteil, dass er sehr anpassungsfähig ist. Er steckt also heiße Jahr wie 2003, 2011 oder auch 2018 problemlos weg und ist auch in solchen Jahren zu Höchstleistungen fähig. Lieber sind uns, und auch dem Riesling, aber ganz sicherlich Jahre mit etwas moderateren Temperaturen

R: Was fällt im Weinberg derzeit an Arbeit an?

Berthold Fuchs: Außer Jungfelder gießen und noch einigen Nacharbeiten bei den Laubarbeiten ist in den Weinbergen jetzt nicht mehr viel zu tun. Die Pflanzenschutzmaßnahmen sind abgeschlossen, Bodenbearbeitungen sind keine mehr notwendig, sodass der Winzer jetzt eigentlich etwas Zeit hätte, kürzer zu treten. Wenn da nicht die Weinfeste wären und leider Gottes auch die Herbstvorbereitungen schon jetzt schon wieder unmittelbar bevorstehen.

R: Gibt es Möglichkeiten, wie die Winzer ihre Reben bei dieser Hitze schützen und unterstützen können?

Diese Frage begleitet den Winzer praktisch das ganze Jahr. Frühe Entblätterungsmaßnahmen und eine wasserschonenden Bodenbearbeitung stehen in heißen Jahren sicherlich ganz oben auf der Agenda. Aber auch eine gute Humusversorgung der Böden und angepasste und fachgerechte Laubarbeiten können den Reben helfen, solche Stressjahre wie 2018 weitgehend schadlos zu überstehen.

R: Vielen Dank für das interessante Gespräch

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 23.08.2018.

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