Großes Kino für klitzekleine Geisenheimer

13.06.2019

Die Hefereinzuchtstation Geisenheim feierte ihr 125jähriges Bestehen mit Fachvorträgen und humorvoller Filmpremiere

Geisenheim. (sf) Obwohl sie nur wenige Mikrometer groß sind, waren sie die absoluten Stars an der Hochschule Geisenheim und das sprichwörtlich in einer ebenso humorvollen wie lehrreichen Filmpremiere: Hefen haben eine enorme Bedeutung in der Nahrungs- und Getränkeherstellung, beispielsweise bei der Herstellung von Wein, Brot und Bier. Damit aus Trauben Wein wird, verwandeln sie während der Gärung unter anderem Zucker in Alkohol. Auch hängt die Qualität der Produkte von der Wahl der Hefen ab. Von Natur aus sind sie zwar bereits auf den Weintrauben vorhanden, jedoch gibt es auch Hefearten und -stämme, die eher negative Eigenschaften wie die Bildung von Fehlaromen im Wein mit sich bringen. Um dies zu vermeiden, arbeiten viele Oenologen mit sogenannten Reinzuchthefen, bei denen es sich um selektionierte und gezüchtete Weinhefen handelt, und nicht, wie bei den natürlich vorkommenden Hefen, um eine Vielzahl verschiedener Arten und Stämme.

Und jetzt feierten diese kleinen „Stars“ sogar Geburtstag und zwar mit illustren Gästen aus der ganzen Welt. Denn als erste Einrichtung zur Erzeugung von Hefereinkulturen in Deutschland wurde in Geisenheim die Hefereinzuchtstation 1894 von Dr. Julius Wortmann mit Unterstützung des „Deutschen Weinbauvereins“ begründet und geleitet, basierend auf den Arbeiten von Prof. Dr. Louis Pasteur und Prof. Emil Christian Hansen. Institutionen aus der ganzen Welt folgten diesem Vorbild. Heute ist die Geisenheimer Hefereinzuchtstation Teil des Instituts für Mikrobiologie und Biochemie der Hochschule Geisenheim. Über die letzten Jahrzehnte wurden eine Reihe von Reinzuchthefen gesammelt, auf ihre Fermentationseigenschaften getestet und für die Praxis empfohlen. Neben den Hefen wurden außerdem Gärvorgänge intensiv auch auf potentielle Fehlaromen und deren Ursachen untersucht. Auch in Zukunft sollen diese Arbeiten weitergeführt und auf neue Arbeitsgebiete über nicht-konventionelle Hefen ausgedehnt werden.

Im Rahmen der Jubiläumsfeier zum 125jährigen Bestehen der Hefereinzuchtstation Geisenheim wurden Hefen im Wandel der Zeit sprichwörtlich genauer unter die Lupe genommen: der ehemalige Leiter des Instituts für Mikrobiologie und Biochemie, Prof. Dr. Manfred Großmann und sein Nachfolger, Prof. Dr. Jürgen Wendland, hatten über die Geisenheimer Forschung über das „Institut für Mikrobiologie und Biochemie –
die letzten 25 Jahre“ und „Hefen im Rampenlicht, damals und heute“
referiert. Außerdem war Prof. Dr. Sakkie Pretorius von der Macquarie University, Sydney, mit Festvortrag „The Terroir of Wine Yeast Innovation“ als Gastredner zu hören. Heutiges Zuchtziel bei den „Hefen 4.0, die durch Kreuzungen entwickeln werden, sei es, noch mehr Aromen herauszuarbeiten. „Ein wenig Rose für den Wein oder Banane fürs Bier sind zum Beispiel denkbar. Und das geht dank der Hefen ganz ohne die böse Gentechnik“, so Prof. Wendland. Auch Hefen, die den Alkoholgehalt reduzieren, und Organismen, die schädliche Pilze bekämpfen im Sinne der Nachhaltigkeit, stehen auf der Liste der Wissenschaftler.
Ein weiteres Highlight war aber auch die Präsentation des Wissenschaftsfilms „Abenteuer der Hefezellen“ sein, der ebenso humorvoll wie lehrreich das Wirken der Hefen erläuterte. Studierende selbst verkörperten in diesem knapp 20minütigen Film Hefezellen bei der Most-Fermentation und hauchten ihnen eine sehr lebendige Dramaturgie ein. Das gemeinsame Medienprojekt der Hochschule RheinMain und der Hochschule Geisenheim wurde unter Leitung von Prof. Dr. Andrea Gschwendtner, Media Management, mit Prof. Dr. Manfred Großmann inszeniert. Das Projekt mit dem Ziel, mikrobielle Abläufe bei der Weinbereitung optisch darzustellen, arbeiter auf drei Ebenen: Realfilm, Studiofilmszenen und Trickfilm. Die Dreharbeiten fanden unter anderem in Geisenheim im Weinberg, im Labor sowie im Keller des Instituts für Oenologie statt. Mit weiß geschminkten Gesichtern und zum Charakter passenden Kopfbedeckungen werden die Hefezellen verkörpert und wie im richtigen Leben auch nicht alle sympathisch sind: Die „Killer“ unter ihnen drohen mit Baseballschlägern. Damit wird anschaulich, was Prof. Großmann ein Anliegen ist: „Verständnis dafür zu wecken, dass Bakterien und Hefen Lebewesen sind“. Zu dieser Achtung vor den Mikroorganismen zähle für ihn, dass man etwa bedenkt, dass „Gärung für die Stress bedeutet“. Und was in der Reinzucht entstehe, seien keine künstlichen Hefen, sondern Ergebnisse der Spontangärung guter Weine. Als „Steuerungsinstrument für den Winzer“ hält Großmann große Stücke auf die Reinzucht-Hefen. Schließlich soll am Ende aus Alkohol nicht einfach Essig werden.

Schon bei der Premiere am Montag erhielt der Film von allen Anwesenden viel Beifall. Die Filmmacher stellten sich dem Publikum vor und schilderten, wie viel Arbeit mit schlaflosen Nächten und monatelangen Dreharbeiten der Wissenschaftsfilm gemacht habe. Dass es sich gelohnt hat, da waren sich alle am Montag einig. Der Film soll jetzt für Lehrzwecke genutzt werden und auch auf You Tube in Teilen veröffentlich werden.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 13.06.2019.

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