Wenn man nichts mehr hat außer Musik
08.08.2021
Benefizkonzerte im Garten der Brömserburg zeigten, wie gelebte Hilfsbereitschaft funktioniert
Rüdesheim. (sf) Das ist gelebte Hilfsbereitschaft: unter dem Motto „Gemeinsam durch schwere Zeiten, von Mensch zu Mensch - von Fluss zu Fluss“ gab es gleich mehrere Benefizkonzerte für den sympathischen Musiker Carlos Cachafeiro und die Flutopfer an der Ahr und in der Eifel.
Carlos Cachafeiro, der im Rheingau von vielen Konzerten beliebt und bekannt ist und auch in Rüdesheim im Garten der Brömserburg schon "on stage" war, ist eines der Opfer der Flutmassen, die nach einem Unwetter in mehreren Regionen an der Ahr und in der Eifel so vielen alles genommen haben. Auch er steht, wie viele andere, vor dem Nichts: „Mir ist nichts geblieben, außer der Musik“.
In Rüdesheim erzählt Carlos hinter der Bühne bewegend, wie hart er getroffen wurde: War sein Leben als Berufsmusiker seit über einem Jahr schon durch Corona von Existenzängsten bestimmt, wurde ihm nun auch noch sein Wohnwagen, in dem er lebt, auf dem Campingplatz im Vichbachtal nahe Eschweiler, mit sämtlichem Hab und Gut von den Fluten weggespült. Bewegend berichtet er, dass sein 13jähriger Sohn, der kleine Familienhund und er zwar glücklicherweise überlebt haben, aber nur noch das besitzen, was sie am Unglückstag auf dem Leib trugen. Überglücklich ist Carlos, das ihm seine Gitarre geblieben ist, die er retten konnte. Und er erzählt noch mehr: von schneller, freundlicher Hilfe zum Beispiel in der „Kleiderkammer“, wo er und sein Sohn das Notwendigste bekamen. Aber auch von Dingen, die sehr betroffen machen und völlig unverständlich sind, wie von Menschen aus dem direkten Umfeld, die in den Sachen anderer wühlen und plündern oder von völlig Unbeteiligten, die sich gespendete Wasserflaschen en gros sichern, um das Pfand zu kassieren. Er selbst sei unendlich dankbar für die Hilfe von außen, vor allem von den Freunden, die ihn mit der Musik verbinden - wie eben die Rheingauer Musiker, die ihn am Wochenende mit den Benefizkonzerten unterstützen. „Diese Hilfe ist so wunderbar und so wohltuend, vor allem auch, weil ich hier selbst etwas wiedergeben kann – meine Musik“, so Carlos, dem es - wie er schüchtern bekennt - auch schon schwerfällt, „wie ein Bettler auf Unterstützung von außen“ angewiesen zu sein.
Sehr emotional berichtete auch der Rüdesheimer Stefan Dries am Rande des Benefizkonzertes, was er in den letzten Tagen alles bei seinen Hilfseinsätzen vor Ort in den zerstörten Gebieten erlebt hat und die schrecklichen Bilder reichen von Kratern statt Straßen, Schutthafen statt Häuser über Wiesen voll mit toten Schafen bis hin zu aufgespülten Friedhöfen. Das ganze Ausmaß sei kaum zu realisieren, weder für die Betroffenen noch für die Opfer. „Es ist als ob ein Erdbeben und ein Tsunami gleichzeitig gewütet hätten“, hält Carlos Cachafeiro fest, der selbst noch spürbar unter Schock steht.
Wie Balsam auf seine Seele scheint da die Welle von Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Mitgefühl zu sein, die ihm am Wochenende im Brömsergarten entgegen gebracht wird: in Scharen waren die Gäste gekommen, um Cachafeiro, der seit vielen Jahren mit seiner Musik, seiner einzigartigen Stimme und mit seiner unglaublich sympathischen Art seine Zuhörer begeistert, zur Seite zu stehen.
Vor allem aber auch seine Rheingauer Musikerfreunde Rick und Kayla Cheyenne, die den gemeinsamen Auftritt geplant hatten und sich sofort bereit erklärt hatten, dem Kollegen zu helfen, stehen fest hinter ihm. Ebenso wie Frank Zimmermann, der an diesem Freitagabend Carlos ebenfalls musikalisch unterstützt, denn: „Zusammenstehen auch in schweren Zeiten" ist nicht nur ein von ihm komponierter Liedtext, sondern auch für ihn gelebte Solidarität.
Die Emotionen kochten dann auch entsprechend hoch an diesem Abend: das Publikum war berührt und begeistert, von dem was die fünf Musiker auf der Bühne ungeübt und spontan boten und das nicht nur musikalisch. „Sehr bewegend“, fasste es eine der vielen Besucherinnen aus Oestrich zusammen: „Jeder Mensch, der hier in unserer Region, dem wunderschönen Rheingau, lebt oder ihn auch nur besucht, weiß um die magischen Momente, die das Leben am Fluss bereit halten kann.
Das Glitzern des Wassers, die sanften Wellen, der azurblaue Himmel, der sich auf der Wasseroberfläche spiegelt, das sind unvergessliche Eindrücke, die sich tief in unser Herz brennen. Doch zurzeit sehen wir fassungslos die andere Seite dieser Naturschönheit. Eine Urgewalt, die Verwüstung und unendliches Leid mit sich gebracht hat. Reißende Fluten, die das Leben und die Existenz vieler Menschen von einem auf den anderen Tag zerstört haben. Nichts ist mehr wie es war.“.
Dass sahen auch alle andere Gäste im Garten der Brömserburg so und füllten den Hut, auf dessen Inhalt die Musiker zu Gunsten ihres Kollegen Carlos Cachafeiro verzichteten, mit großzügigen Spenden.
Und das wiederholte sich auch am Sonntagnachmittag noch einmal: diesmal stand Carlos zusammen mit Marcus Kleanshot, Janet Taylor und Uli Lauterbach von „Word up Duo“ und Babara Wieb-Köhler und Gerhard Wiebe von „Love on the Rocks“ auf der originellen Traktorbühne und muszierten gemeinsam für die Menschen im Katastrophengebiet. Und auch an diesem Nachmittag standen Musik und Emotionen ganz und gar im Mittelpunkt und begeisterten die Besucher von nah und fern.
Ein Bericht von Sabine Fladung vom 08.08.2021.
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