Mit „LichtRaum“ eine Reise durch die Zeit gemacht
29.06.2022
Basilika am Schloss Johannisberg feierte 80 Jahre nach der Zerstörung den Wiederaufbau und die Weihe vor 70 Jahren
Johannisberg. (sf) Eine beeindruckende Reise durch die Zeit erlebten die Gäste in der Basilika am Schloss Johannisberg im Rahmen des berührenden Multimediaabends „LichtRaum“. Mit diesem Auftakt und weiteren Veranstaltungen gedachte die Pfarrei Heilig Kreuz Rheingau am letzten Wochenende der Zerstörung der Schlossbasilika im 2. Weltkrieg und der Weihe nach dem Wiederaufbau.
Die Veranstaltung „LichtRAUM“ hatte Ortsausschuss des Kirchorts Johannisberg mit vielen engagierten, ehrenamtlichen Helfern vorbereitet, organisiert und durchgeführt. Dafür gab es von allen Seiten großes Lob und viel Anerkennung: „Ein unvergessliches Erlebnis!“, „Gelebte Geschichte!“, „Gänsehautfeeling!“, waren die begeisterten Kommentare der Gäste, die der Einladung gefolgt waren. Nur von Kerzenschein beleuchtet präsentierte sich die Kirche an diesem Abend in wechselnd farbiger Ausleuchtung. Im Mittelpunkt standen jedoch die eindrucksvollen historischen Bilder der Basilika, die in die Hauptapsis der Basilika hineinprojiziert wurden. Die Bilder stammten aus der umfangreichen Sammlung von Karl-Thomas Herborn und wurden von Dr. Gerd Ockelmann erläutert und von Frau Dr. Perseke-Ockelmann passend zur musikalischen Gestaltung präsentiert. Diese hatte Christoph Ahlbach an der Orgel übernommen, der auch mit eindrucksvollen Liedvorträgen zu den Bildfolgen vor und nach Zerstörung, Aufräumarbeiten und Wiederaufbau und Weihe beigetragen. Mit passenden Textbeiträgen, ausgewählt und vorgetragen von Peter Steinberg wurden gedankliche Anstöße an das Geschehen gegeben und Brücken zu aktuellen Ereignissen geschlagen.
Dabei erinnerte man zunächst an die Zerstörung: „In der Nacht vom 12. zum 13. August 1942 wurden Kirche und Schloss bei einem englischen Fliegerangriff durch Brandbomben zerstört. Die Basilika brannte völlig aus. Alleine die Grundmauern blieben erhalten. Mit wenigen Ausnahmen verbrannte auch das gesamte Inventar. Auch die im Jahr 1867 von der Firma Schlimbach erbaute Orgel wurde ein Raub der Flammen. Der zu Zeiten des Barock und des Klassizismus ausgestattete Innenraum der romanischen Basilika gehörte damit der Vergangenheit an.“.
Die Planungen zum Neuanfang stieß der damalige Pfarrer Christian Nauroth an, der dem bischöflichen Ordinariat von der Zerstörung berichtet hatte: „Er setzte sich mit dem in Frankfurt-Ginnheim amtierenden Pfarrer Georg Rudolphi in Verbindung, der aus Johannisberg stammte. Dieser vermittelte ihm die Adresse des Architekten Prof. Rudolph Schwarz, was sich als Glücksfall für den Wiederaufbau der Basilika erweisen sollte. Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Rudolf Steinbach entschied er sich für eine Rückbesinnung auf das ursprüngliche Bauwerk. In seinen Plänen wählte er eine Gestaltung mit einem taghellen Chor, in dem nach seinen Worten „für die ganze Kirche Mensa, Opfertisch, Kreuz, Tabernakel und Kerzen den Mittelpunkt bilden, innerhalb dessen man sich frei bewegen kann, möglichst von vielen gesehen, wenigstens alle Gläubigen des Mittelschiffs bannend“. So verzichtete Prof. Schwarz auf den Erhalt, also die Wiederherstellung, der drei vormals in der Hauptapsis vorhandenen Fenster. Dafür sollte die Vierung zwischen den Querhäusern als Lichtbaldachin ausgestaltet werden. Auch entschied er, die vormalige Auffüllung des Kirchenraumes von mehr als ein Meter Höhe bis auf die Fundamente der Pfeiler zu beseitigen um damit der ursprünglichen romanischen Architektur ihre vormalige Gestaltung zurück zu geben. Die teilzerstörten Querschiffe, die während der Barockzeit durch Umbau an Höhe verloren hatten und quasi verstümmelt wurden, sollten wieder auf die Höhe des Hautschiffes hochgezogen und zu den Seitenschiffen geöffnet werden. Vor dem Krieg war der Zugang aus den Seitenschiffen versperrt.“, berichtete Dr. Ockelmann.
Der Wiederaufbau habe dann bereits im April 1945 begonnen worden, als der Brandschutt nebst der Bodenauffüllung aus der Kirche entfernt wurde. „Hilfreich war hier insbesondere die Firma Erbslöh aus Geisenheim, die eine Grubenbahn zu Verfügung stellte. Mehr als 1.000 Kipploren mit mehreren hundert Tonnen Schutt und Abraum wurden aus der Kirche geschafft und abgefahren. Diese Arbeiten wurden vornehmlich durch unermüdlichen Einsatz der Johannisberger Bevölkerung geleistet. Währenddem bereiste Pfarrer Neuroth das gesamte Bistum, um durch Predigten Gelder für den Wiederaufbau der Kirche zu beschaffen und schrieb tausende von Bettelbriefen. Er betrieb die Anwerbung von freiwilligen Helferinnen und Helfern und kümmerte sich um die Beschaffung von Lebensmitteln für die auf der Baustelle arbeitenden Personen. Die vom Architekten Rudolph Schwarz geplante bauliche Gestaltung wurde bei den Arbeiten umgesetzt. Zusätzlich erhielt die Kirche eine Vorhalle und eine Krypta. 1952 waren die Arbeiten am Kirchenbau soweit abgeschlossen, dass die Basilika wieder genutzt werden konnte. In der Zeit von der Zerstörung bis zur Weihe wurde die sogenannte Unterkirche des ehemaligen Benediktinerklosters von Johannisberg für die Gottesdienste der Gemeinde genutzt.“, so Dr. Ockelmann.
Am 8. Juni 1952 wurde die Basilika dann durch den Limburger Bischof Wilhelm Kempf unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in einem festlichen Gottesdienst geweiht. „Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Kirchenbänke, auch die Kanzel fehlte noch. Es gab keine Orgel und der Glockenturm war noch leer. Kirchenbänke waren auch noch nicht vorhanden. Die Gottesdienstbesucher brachten ihre Stühle von zuhause als Sitzgelegenheit mit. Auch gab es noch keine Sakristei. Nach und nach wurde die noch fehlende Ausstattung vervollständigt. Die ersten drei Glocken trafen 1953 ein. Die Sakristei wurde 1954 als Rundbau an das nördliche Querhaus angebaut. 1960 erfolgte der Einbau der Orgel durch die Firma Wagenbach aus Limburg. 1962 schließlich wurde das Geläut durch die beiden großen Glocken vervollständigt.
Und die erklangen dann auch im Rahmen der „LichtRaum“-Veranstaltung, den die fünf Glocken der Basilika wurden hier nicht nur in Wort und Bild vorgestellt, sondern für die Zuhörer zum Läuten gebracht. „Sie sind dem heiligen Urban, Rochus, dem Erzengel Raphael, der Heiligen Familie und Christus König geweiht. Bei vollem Geläut bringen sie mit einem Gewicht von 4,1 Tonnen den Glockenturm zum Beben!“, erklärte Dr. Ockelmann. Die zahlreichen Besucher am Freitagabend zeigten sich von den historischen Bildern und der Präsentation sehr beeindruckt und zollten den Veranstaltern ihre Begeisterung mit langanhaltendem Applaus. Klangvoll stimmten alle zu dem Abschlusslied ein: „Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land“, was auf die Basilika am Schloss Johannisberg in besonderer Weise zutrifft.
Ein Bericht von Sabine Fladung vom 29.06.2022.
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