Das Zauberkissen und die Höhle der Kälte
16.11.2022
Theaterensemble „Lampenfieber" übertraf sich beim Comeback nach vier Jahren mit neuer Aufführung wieder mal selbst
Geisenheim. (sf) Ein Märchenspiel mit Tanz, Musik, bisschen Satire und viel Poesie – schlicht einen ganz großen Theaterspaß präsentierte die legendäre Theatergruppe Lampenfieber als Comeback nach vier langen Jahren. Auf gleich vier verschiedenen Bühnen mit fünf unterschiedlichen, bis ins kleinste Detail liebevoll gestalteten Kulissen, präsentierte das Geisenheimer Theaterensemble ihr neustes Stück und übertraf sich wieder einmal selbst. Allein das märchenhafte Zaubererzimmer des Zauberers Calamitas (Julia Pletz) und seines herrlich schrägen, sehr humorvollen Papageis (Katharina Diehl), das mächtige Schloss des vergesslichen Königs Chlodwig (Katja Feller) und seiner schönen Königin Kunigunde (Katharina Häuser), der Wald mit „echten“ Bäumen, in dem die schlaue Rattenbande angeführt von Isabella Siegler und Judit Schuler mit den jüngsten Darstellern im Bunde Antonia und Jakob Bach, Jara Faust, Marlies und Tim Häuser, Noah Nebenführ, Josuha und Nilas Pletz und Jakob Schoppet hausten, die Räuberhöhle des schaurigen-bösen Zwerg Giesbert Griesgram (Kathrin Bach) und die neblige Höhle der Kälte mit ihren gefährlichen Tropfsteinen, die der Prinzessin Hildegard (Emelie Helget/Leonie Feller) zum Verhängnis wird, muss unzählige Arbeitsstunden gekostet haben. Wie immer standen der Geisenheimer Schauspielertruppe „Lampenfieber" ganz viele Helfer zur Seite: für die detailgetreuen Kulissen, die sich in Sekundenschnelle von der Zauberstube in eine Räuberhöhle verwandeln ließen, zeichnete sich Katharina Diehl verantwortlich.
Viel Lob gab es auch für das Engagement von Daniel Faust und Daniel Ihl für das passende Licht und für Kim Faust für die ausgesuchte Musik. Die hatte es in sich und sorgte bei den Erwachsenen für viel Schmunzeln, wenn zum Beispiel die Wächtertruppe, gespielt von den Kindern Jakob Bach, Tom Häuser, Joshua und Niklas Pletz und Jakob Schoppet begleitet vom Radetzkymarsch durch das Publikum marschierte oder der Held des Märchens Frido von der Weide (Clemens Helget) sich zu den Klängen von Ravels „Bolero“ ins Abenteuer stürzte.
In diesen wahrhaft märchenhaften Kulissen spielte das neueste Theaterstück der Gruppe „Lampenfieber“ und präsentierte ein wunderbares Comeback nach vier Jahren Pause durch Corona, Generationenwechsel und den Verlust der beliebten Schauspielerin Ursel Bernhardt habe man nur noch rund die Hälfte des ursprünglichen Ensembles, erläuterte Judith Schuler, die sich wieder für die Regie und Gesamtleitung verantwortlich zeigte. Sie sei unendlich stolz auf ihre Truppe und was sie trotz allem auf die Beine gestellt habe, erklärte sie. Nur wenige Laientheatergruppe hätten die Corona-Pandemie mit all ihren Einschränkungen so schnell und effektiv hinter sich gelassen, sagte sie mit berechtigtem Stolz. Gerade auch das es einen großen Generationenwechsel gegeben habe und einige der Kinderdarsteller von einst jetzt sogar Hauptrollen übernommen hatten, wie der 16jährige Clemens Helget als „Frido“ sei bemerkenswert. Besonders schön ist auch, dass unter den rund 25 Laiendarsteller wieder gut die Hälfte Kinder im Alter zwischen fünf und 14 Jahren sind, die das Stück so lebendig machen.
1990 lud die Gruppe „Lampenfieber“ zum ersten Mal zum Theatervergnügen für die ganze Familie, damals wurde das Stück „Traumfresserchen" aufgeführt. Von Jahr zu Jahr stellte sich die Theatergruppe höheren Ansprüchen und auch das neue Stück, das am Samstag und Sonntag Premiere feierte, war wieder mal ein Stück der Superlative. Angefangen von der bis ins kleinste Detail liebevoll gestalteten Kulisse, über die fantastischen und sehr fantasievollen Kostüme, die überaus passende Musikuntermalung bis hin zu der sehr lebendigen, mit großer Freude am eigenen Spiel dargebrachten, vielschichtigen Geschichte um eine Prinzessin, die in der Höhle der Kälte einen Stalagmiten abgebrochen hatte und danach in einen Zauberschlaf fiel, die pfiffigen Ratten, die alles im Blick hatten, ein wunderbar poetisches Schattenspiel als Zwischengeschichte und den spannenden Showdown in der Räuberhöhle, war dieses Theaterstück einfach klasse.
Ein bisschen mehr als dreiviertel Jahr hat es gedauert, bis die Theatergruppe „Lampenfieber" ihr neues Stück präsentieren konnte. Zunächst hatte man sich zusammengesetzt und über die Auswahl eines neuen Stückes gesprochen. Die Geisenheimer Schauspieler sind bekannt dafür, dass sie aufregende Abenteuer aus besonders schönen Kinderbüchern zur Aufführung bringen. Diesmal fiel die Wahl auf das Märchenstück „Das Zauberkissen“ von Peter Klusen. Und natürlich wurden die Schauspieler hier auch wieder selbst tätig und verschönten und ergänzten das Stück noch auf ganz wunderbare Weise. So wurde es um die Rattenbande ergänzt, die aus den Kindern und zwei erwachsenen Spielerinnen bestand, in Versform die Rolle des Erzählers spielte, den Helden Frido mit sinnigen und unsinnigen Gaben unterstützte und sogar unter der Leitung von Isabella Albrecht eine wirklich kesse Sohle aufs Parkett legte. Ganz wunderbar und sehr poetisch war auch das aufwendig gestaltete kleine Schattenspiel, in dem erzählt wurde, wie der Zwerg Griesgram das Zauberkissen mit seinen 21 kirschroten Punkten einer indischen Prinzessin gestohlen hatte.
Zunächst habe es dann erst mal Leseproben und Charakterproben gegeben, um für die vielen Rollen des Stückes die richtigen Darsteller zu finden, erläuterten die Darsteller den Entstehungsprozess des Theaterstückes. Eine Aufgabe, die gar nicht so einfach ist, schließlich gab es in diesem Jahr gleich elf Kinder, die mitspielten. Als alle Rollen besetzt worden waren, begannen dann die richtigen Proben. Gleichzeitig habe man begonnen, die wunderbaren Kostüme zu entwerfen und zu schneidern und auch die beiden Inspizienten Doris George und Sabine Nebenführ hatten alle Hände voll zu tun. Dass die Theatergruppe „Lampenfieber" immer auf mehreren Bühnen gleichzeitig spielt, gehört zu ihren Spezialitäten und war auch diesmal wieder ein besonderes Highlight. An insgesamt vier verschiedenen Plätzen im ganzen Gemeindezentrum wurde die aufregende Geschichte gespielt und die Kinder und Erwachsenen reckten jedes Mal die Hälse, um auch ja nicht eine Minute des Theaterabenteuers zu verpassen. Wie viel Mühe und Arbeit in den Aufbauten, Kostümen und durchdachten und witzigen Requisiten steckt, läßt sich nur erahnen. Auf jeden Fall zeigte sich, mit wie viel Eifer, Freude und Spaß die Theatergruppe „Lampenfieber" bei der Sache ist.
"Wir wollen mit unseren Stücken ganz bewußt die gesamte Familie ansprechen. Hier sollen Kinder nicht einfach nur zum Theatergucken abgeladen werden, sondern auch Mütter, Väter und Großeltern, Onkel und Tanten ihren Spaß haben und abends gemeinsam über das Erlebte sprechen und sich noch einmal in der Familie daran erfreuen", so die Theatergruppe. Dass dieses Konzept aufgeht, bewiesen die vielen Erwachsenen und vor allem die vielen Männer im Publikum, die sonst beim Kindertheater eher selten zu finden sind. Doch die Stücke der Gruppe „Lampenfieber" sind nicht nur einfach Theaterstücke, sondern richtige Abenteuer, die auch Erwachsene in ihren Bann ziehen und im Publikum immer wieder mit neuen Überraschungen für Furore sorgen. Auch das Märchenspiel „Das Zauberkissen“ war von der Laienspielgruppe wieder einmal zum vielschichtigen Theaterstück umgestaltet worden: Prinzessin Hildegard war mit ihren Zofen Hilde, Hanni und Nanni (Leonie Feller, Marlies Häuser und Antonia Bach) verbotenerweise in der „Höhle der Kälte“ und muss dies nun büßen: sterbenskrank liegt sie im Bett, isst nicht, spricht nicht und schläft nur. Der König und die Königin sind darüber verzweifelt und bitten den alten Zauberermeister um Rat. Er weiß, dass nur noch das „Zauberkissen“ mit den 21 roten Punkten das Leben der Prinzessin retten kann, wenn es innerhalb von drei Tagen herbeigeschafft wird. Das Kissen aber befindet sich in den Händen des hinterhältigen Zwerges Griesgram, der hoch oben im Nebelgebirge haust und jeden tötet, der seiner Höhle zu nahekommt. Der König verspricht demjenigen, dem es gelingt, das Kissen innerhalb der Dreitagesfrist herbeizuschaffen, das halbe Königreich und dazu die Hand der Prinzessin. Doch auf den Ruf der Herolde meldet sich zunächst keiner, der es mit dem Zwerg Griesgram aufnehmen will. Als man bei Hofe schon alle Hoffnung aufgibt, meldet sich Schafshirte Frido von der Heide für die gefährliche Mission. „So ein Würstchen“, zweifelt die Königin an seiner Fähigkeit, die Prinzessin zu retten. Doch mit List, Tücke und der Hilfe der Rattenband, die ihm einen Lippenstift und einen Spiegel zusteckt, gelingt es ihm, den bösen Zwerg hereinzulegen, ihn zu entwaffnen und das Zauberkissen zu entlocken. Damit ist das Leben der Prinzessin gerettet und dem glücklichen Ende steht nichts mehr im Weg.
Das eineinhalbstündige Theatererlebnis war auf jeden Fall ein voller Erfolg und faszinierte die Zuschauer im Alter von drei bis 80 Jahren. Darunter auch Familien aus der Geisenheimer Notunterkunft der geflüchteten Ukrainer, die die Theatergruppe kostenlos zu dem Stück eingeladen hatte.
Ein Bericht von Sabine Fladung vom 16.11.2022.
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