Mit Sekt-Ge-Schichten durch Raum und Zeit
19.11.2023
Genussreicher Vortrag mit Prof. Dr. Leo Gros und hochwertigen Rheingauer Sekten in der Hochschule
Geisenheim. (sf) Schon Felix Krull, Thomas Manns berühmter Hochstapler, liebte ihn, den Rheingauer Sekt: „Der Rheingau hat mich hervorgebracht, jener begünstigte Landstrich, welcher wohl zu den lieblichsten der bewohnten Erde gehört“, schwärmt der literarische Sohn eines Eltviller Sektfabrikanten und profitiert vom reichen Kundenstamm des elterlichen Sekthauses. Und die Tradition der Sektherstellung im Rheingau hat nicht nur Eingang in die Literatur gefunden, sie ist seit Jahrhunderten weltweit geschätzt. Kein Wunder also, dass im Rheingau nicht nur jeder gute Winzer einen selbst produzierten Sekt anbietet, der sich in Qualität und Geschmack hinter dem französischen Champagner keineswegs verstecken muss. Es gibt auch gleich ein Dutzend namhafter Sekthäuser, die den köstlich prickelnden Rebensaft in verschiedenen Variationen vom berühmten Rieslingsekt über Weißburgunder- und Weißherbstspezialitäten bis hin zum durchaus brut ausgebauten raren Spätburgunder Sekt oder sogar Grünen Veltliner anbieten. Wie aber kam es zu dem prickelnden Getränk, wer hat die zweite Gärung „erfunden“ oder wurde sie durch Zufall „gefunden“? Und wo kommt der im Deutschen benutzte Begriff „Sekt“ für das prickelnde Getränk her? Wie kommt das Prickeln in den Sekt? - das alles erfuhren die rund 80 Zuhörer des Vortrags „Sekt-Ge-schichten - eine Entdeckungsreise durch Raum und Zeit" im Hörsaal 3 der Hochschule Geisenheim am vergangenen Freitagabend: Prof. Dr. Leo Gros lud hier zu einem genussreichen Vortrag mit sieben hochwertigen Sekten renommierter Geisenheimer Absolventen ein.
Das „Journal Culinaire“, die „erste deutschsprachige Zeitschrift mit dem aktuellen Stand des Wissens und Könnens über das Essen und Trinken“ hat den einzigartigen Beitrag von Prof. Dr. Leo Gros bereits im letzten Jahr veröffentlicht. Und wer Leo Gros kennt oder schon mal einen Vortrag von ihm erlebt hat, ahnte schon, dass ihn an diesem Abend ein Feuerwerk an Zitaten, Erzählungen und wissenschaftlichen Grundlagen erwarten würde. Kaum ein anderer kann komplexe chemische Verbindungen so eloquent auflösen wie er! Egal ob Weinversteigerung, vergnügliche Proben, Chemievorträge in der Schule, Fastnachtsveranstaltungen oder Kirchenfeiertage, Prof. Dr. Leo Gros ist immer mitten drin, wenn es um seine geliebte Heimat, den Rheingau geht. „Chemiker können Moleküle tanzen sehen“, sagt Leo Gros und beeindruckt immer wieder nicht nur Schüler mit einfachen Experimenten zur Chemie des Alltags. Der langjährige Vizepräsident der Hochschule Fresenius, der 1970 an der Rheingauschule seine Abiturprüfung ablegte, stellt immer wieder gerne jungen Menschen in seinen hochinteressanten Vorträgen die „Moleküle des Alltags“ vor und gibt dazu Informationen über die Chemie, gewürzt von seinen humorvollen Mundarteinlagen, Anekdoten und Geschichten. In seiner Freizeit beschäftigt er sich gern mit Essen und Wein. Er findet, dass auch beim Kochen „die Chemie stimmen muss“ und beweist das selbst mit den köstlichen Speisen, die er Freunden serviert.
Und Leo Gros kann noch mehr: er ist ein wahres Genie, nicht nur wenn es um Chemie oder Sprachen geht. Als souveräner Auktionator bei den großen Weinversteigerungen in Kloster Eberbach hat er es zu Weltruhm gebracht. Seine Bodenständigkeit, seine Bescheidenheit und seine Liebe zum Rheingau zeichnen ihn aus. Und egal, ob die Kirchengemeinden ihn für die Moderation einer Benefizweinprobe brauchen, der Tischtennisverein ihn bittet, beim Jubiläum Pate zu stehen, die heimischen Gymnasien mit seinem humorvoll dargebrachten Fachwissen Schüler für Chemie begeistern wollen oder die Fastnachter den brillanten Büttenredner an ihre Spitze stellen wollen: Leo Gros ist immer zu Stelle und immer mit hundertprozentigem Einsatz. Auch als Moderator im Gespräch mit „Haargeloffenen“ bei der Rheingauer Weinbühne hat Leo Gros unglaublichen Unterhaltungswert und das stets niveauvoll, mit einem Fachwissen auf vielerlei Gebieten, das immer wieder völlig verblüfft. Er ist ein wahrer Tausendsassa mit großer Lebensfreude und immer für gute Genüsse im Glas und auf dem Teller zu haben. Eine echte Rheingauer Seele eben.
Das bewies er auch bei dem unterhaltsam-lehrreichen Sekt-Vortrag, bewusst ohne Power-Point-Präsentation, mit dem er, das passende „Kopfkino“ bei den Zuhörern erzeugen wollte und dies auch tat. In vier „Schichten“ hatte er seinen Exkurs aufgeteilt und schon bei der ersten „physikalischen“ staunten die Zuhörer nicht schlecht, als sie erfuhren, das in einer 0,75 Liter Sektflasche ein Druck herrscht, in einer Wassertiefe von 40 Metern und 11 Millionen Bläschen in so einer Flasche sind. Man erfuhr, dass Sekt schneller ins Blut geht als Wein und frischgebackene Zwillingsväter gereifte Sekte trinken dürfen.
Zur Historie des Sekts ging es bis zum Buch Hiob zurück, wo allerdings nicht von Sekt, wie irrtümlich angenommen, sondern von Leukos die Rede sei. Auch das Dom Perignon im Kloster von Hautvillers in der Champagne die zweite Gärung erfunden habe, sei „völliger Blödsinn“, wie auch Historiker aufgedeckt hätten. Die „Erfindung“ des Sektes sei ein Zusammenspiel aus Zufall und Forschung von Mönchen, Handwerkern und Wissenschaftlern, hielt Leo Gros versöhnlich fest.
Sprachgeschichtlich ging es weiter mit dem „Begriff Sekt“, den schon Shakespeares „Fallstaff“ benutzt habe, der aber ganz zufällig einem Champagner-liebenden Berliner Schauspieler zu verdanken sei. Besonders humorvoll ging der Vortrag mit dem literarischen Exkurs zu Ende, bei dem natürlich Thomas Mann mit seinem liebenswerten Hochstapler Felix Krull eine besondere Rolle spielte: Der Held, Felix Krull, entstammt einer Familie von Schaumweinfabrikanten, dessen Getränk aus familiärer Produktion die Loreley, von Heine und anderen besungen, ihren Namen gibt. Schon als Kind soll Krull in den heimischen Kellern herumgeschweift sein und der Erzähler unterlegt den Reifeprozess des Schaumweines, der dem des jungen Felix ähnelt, mit den Worten: „Noch seht ihr kahl und unscheinbar aus, aber prachtvoll geschmückt werdet ihr eines Tages zur Oberwelt aufsteigen, um bei Festen, auf Hochzeiten, in Sonderkabinetten eure Pfropfen mit übermütigem Knall zur Decke zu schleudern, um mit Rausch, Leichtsinn und Lust unter den Menschen zu verbreiten“. Ganz Eltville führte der junge Felix als falscher Sultan mit schwarzer „Schuhwichse“ im Gesicht und später auch in voller Reife als Hochstapler die ganze Welt an der Nase herum, was wiederrum Joachim Ringelnatz zu einem Gedicht über die Eltviller inspirierte, das der gebürtige Eltviller Leo Gros zum Besten gab. Auch Goethe, Shakespeare, Loriot und der Rheingauer Künstler Dr. Winfried Rathke kamen sektreich zu Wort
Genussreich unterstützt wurde der Referent dabei von Geisenheimer Alumni: Norbert und Renate Bardong von der Sektkellerei Bardong www.bardong.de, Joachim Renk von Schloss Vaux, Markus Bonsels vom Weingut Bibo-Runge, Dennis Serbes vom Wein- und Sektgut Barth weingut-barth.de, das Weingut der Hochschule Geisenheim und Klaus Peter Keßler vom Weingut Keßler hatten wundervolle Rheingauer Sekte mitgebracht, die es ins Glas gab. Den Anfang machte ein 2021 Rheingau Riesling Méthode Rurale trocken aus der Rüdesheimer Sektkellerei Ohlig, den Markus Jost vorstellte. Es folgte ein 2018er Bardong Chardonnay brut, präsentiert von Norbert Bardong. Das Weingut Bibo-Runge schenkte einen 2019er Crémant Rheingau Pinot Noir Hallgartener Schönhell Zero Dosage ins Glas und vom Wein- und Sektgut Barth gab es einen 2015er Ultra Pinot brut nature. Das Weingut Keßler hatte einen 2022er Rheingauer Schwarzriesling Rosé extra trocken mitgebracht und die Sektmanufaktur Schloss Vaux offerierte einen 2018er Geisenheimer Rothenberg Riesling brut. Schließlich gab es noch den 2018er Jubiläumssekt Chardonnay und Spätburgunder brut vom Weingut der Hochschule Geisenheim vom treusorgenden Team der VEG ins Glas.
Ein Bericht von Sabine Fladung vom 19.11.2023.
427