Zum ersten, zum zweiten ... Die Lust der Verbraucher an Auktionen wächst. An der Börse lockt der schnelle Gewinn. Im Internet winken außergewöhnliche Schnäppchen. Weniger um vorteilhaften Kauf als vielmehr um den Erwerb erlesener Weine geht es bei den traditionellen Weinversteigerungen. Auch sie verspüren Aufwind und avancieren vom Weinmarkt zum gesellschaftlichen Ereignis.
Wenn aufgeblasene Brötchentüten knallen und Kommissionäre ihre Hüte schwenken, dann hat die Versteigerung ihren Höhepunkt erreicht. Sind doch beides Anzeichen für das Erreichen außergewöhnlich stolzer Steigpreise und erstklassige Weine. Am 24. September werden im Laiendormitorium von Kloster Eberbach wieder leere Sammelbehältnisse herhalten müssen, wenn Auktionator Professor Dr. Leo Gros zur erstmals gemeinsamen Herbstweinversteigerung der Hessischen Staatsweingüter und des Verbandes Deutscher Prädikatsweingüter Rheingau (VDP) aufruft. Nicht nur Jubiläumsweine und Raritäten kommen in den Kreuzgewölben unter den Hammer, sondern auch herausragende junge Gewächse. Aber ganz unabhängig vom Jahrgang sind Steigweine Besonderheiten, denn sie sind nur oder nur noch auf Versteigerungen zu erwerben und werden direkt vom Erzeuger angeboten, der für ihren einwandfreien Zustand bürgt. Ein zusätzliches Emblem auf dem Etikett macht die ersteigerten Gewächse als außergewöhnliche Weinpersönlichkeiten kenntlich.
Weine und Preise
Doch welche Weine gelangen überhaupt zur Versteigerung? Generell kommen nur jene Gewächse als Steigweine infrage, die aufgrund ihrer verhältnismäßig geringen Menge nicht in der Preisliste geführt werden. Von Anfang an nur für Auktionen bestimmt sind die so genannten Goldkapsel-Weine. Hat das Weingut seine Auswahl getroffen, so werden zugelassene Weinkommissionäre gebeten, die Weine zu taxieren. Sie haben das Ohr am Markt. Und so stellt der Taxpreis einen Durchschnittspreis dar, der sich an Lage, Jahrgang und Qualitätsstufe orientiert. Aus Sicht der Weingüter problematisch sind die vier bis zehn Jahre alten Weine, da derzeit vor allem junge und seit jeher alte Weine in der Gunst der Verbraucher stehen. Dem preisbewussten Ersteigerer tun sich daher in den mittleren Jahrgängen günstige Gelegenheiten auf. Besonderes Interesse besteht auch bei jenen Lagen, die seit dem Weingesetz von 1971 nicht mehr existieren. Vor dieser Zeit gab es im Rheingau das Acht- bis Zehnfache an Weinbergslagen.
Von der Verkaufs- zur Werbeveranstaltung
Die wirtschaftliche Bedeutung des Zusammenspiels von Weingütern, Kommissionären und Handel respektive Endverbrauchern hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Rund 300 000 Mark betrug beispielsweise der Jahresumsatz der VDP Versteigerungen zu Beginn der 90er Jahre. Aktuell werden mehr als 250 000 Euro pro Jahr umgesetzt. Das Verhältnis von Umsatz und Absatzeinheit zeigt, dass es heutzutage die erlesenen Weine sind, die über Auktionen verkauft werden. Umgekehrt stellte sich der Markt in den Anfangszeiten der Versteigerungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts dar. Als anno 1806 im Kloster Eberbach erstmals Weine versteigert wurden, veräußerten die Güter ihre gesamte Ernte gleich fassweise. Konnte ein Halbstück (600 Liter) aus guter Lage und renommiertem Betrieb bis zu 7 000 Reichsmark einbringen, so erzielten andere Winzer oftmals nicht mehr als 1 000 Reichsmark. Die Existenz bestimmende Bedeutung lokaler Einzelaktionen veranlasste die Rheingauer Winzer, die Regelung der Versteigerung zu vereinheitlichen und führte letztendlich zur Gründung des VDP im April 1897.
Waren die Weinversteigerungen ehedem Absatzmarkt und Preisbarometer der Branche, so überwiegt heutzutage der imagefördernde Charakter. Dies ist keineswegs gering zu schätzen. Spiegeln doch die Veranstaltungen das Leistungsvermögen einer Weinbauregion wider. „Ich würde jedem empfehlen, eine Versteigerung zu besuchen“, sagt Karl Ress. "Das ist nicht nur eine unterhaltsame und schmackhafte Angelegenheit. Wo sonst bekommt man eine solche Vielfalt an Spitzenweinen zum Verkosten geboten."
Ein Bericht von vivat - Der Rheingauer vom 07.09.2005.