Seit 60 Jahren Fest zur Johannisweinweihe
09.01.2025
„Bibe amorem Sancti Johannis“ als Stärkung und Wegzehrung für das neue Jahr
Johannisberg. (sf) „In meinem Berufsalltag als evangelische Pfarrerin in Oestrich-Winkel lag - ich will es mal vorsichtig formulieren – das Gottesdienst-Format „Johannisweinsegnung“ nicht gerade oben auf, es war mir aber natürlich durch unsere katholischen Geschwister in Oestrich-Winkel schon bekannt. Nun galt es, die Predigt für heute vorzubereiten, und je mehr ich recherchierte, umso mehr spürte ich, was diese Johannisweinsegnung für eine tiefgreifende, nicht nur biblische Tradition hat. Das hat mich auch als nüchterne Protestantin beeindruckt, und so will ich mein neu erworbenes Wissen natürlich auch kurz kundtun: Schon aus dem 12. Jahrhundert gibt es Belege für einen Trunk zu Ehren des Evangelisten Johannes und aus dem 14. Jahrhundert ist ein Ritual mit den entscheidenden Worten „Bibe amorem Sancti Johannis“ (Trinke die Liebe des Johannes“) überliefert. Wenn wir nun auf die verschiedenen Tradition schauen, dann sehen wir, wie alles ineinanderfließt: die unterschiedlichen biblischen Traditionen wie Johannes-Briefe, Johannes-Evangelium, Apokalypse des Johannes über die Sammlung von Heiligenlegenden, der „legenda aurea“, über den, aus heidnischen Bräuchen stammenden „Minnetrank“, der symbolisch für die Liebe stehen soll oder sogar als Initialwirkung der Liebe angesehen wird, bis hin zur Eucharistiefeier, der Feier der Liebe und der Gegenwart Gottes! Sie hören also, dass wir allein aus der Betrachtung dieser Traditionen des Johannisweines eine ganze Dissertation erarbeiten könnten. Mache ich aber nicht, keine Angst!“, verkündete die Festrednerin der diesjährigen Johannisweinweihe, Elke Stern-Tischleder, am vergangenen Freitagabend in der Johannisberger Schlossbasilika. Nach 20 Jahren als Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Oestrich-Winkel war sie in diesem Jahr in den wohlverdienten Ruhestand getreten und der Einladung bei der 60. Feier zu Johannisweinweihe in Johannisberg gerne gefolgt, hier die Festansprache zu halten.
Seit 1964 feiert man in Johannisberg die viel ältere Tradition der Johannisweinsegnung im Anschluss an die Abendmesse am Festtag des Heiligen Apostels Johannes. Die Johannisberger Weinkritik organisiert diese Feier in Zusammenarbeit mit der Pfarrgemeinde Heilig Kreuz Rheingau. Und hier wurde wieder ein besonders festlicher Gottesdienst zum Gedenken an den Evangelisten Johannes und zur Weinweihe gefeiert. Mit der Geisenheimer Weinkönigin Carina an der Spitze waren zahlreiche Winzer und die Fahnenträger von sechs Weinbruderschaften, Weinfreunde, Mitglieder des Rheingauer Weinkonvents und Rheingauer Bürger zur Johannisweinweihe in der Basilika auf dem Johannisberg zusammengekommen. Aus Geisenheim nahmen die Wein-Reimer teil und aus Johannisberg die Weinkritik, die zusammen mit der Pfarrgemeinde die Weinsegnung organisierte. Zusammen mit den Geisenheimer Pfarrern Michael Pauly und Marcus Fischer zelebrierten der ehemalige Pfarrer Dieter Braun, der von 1984 bis 1995 in Johannisberg, Stephanshausen und Presberg tätig war, und Kaplan Benjamin Rinkart, ehemaliger Diakon in Geisenheim und neuer Seelsorger im St. Vincenzstift, den Festgottesdienst.
Zu den zahlreichen Legenden um Johannes den Evangelisten gehört die Erzählung von einer Art „negativem Gottesurteil". Ein „Götzenpriester" gab dem Heiligen vergifteten Wein zu trinken. Johannes machte ein Kreuzzeichen über den Kelch, trank ihn aus - und blieb unversehrt. Dabei soll das Gift in Form einer Schlange aus dem Kelch entwichen sein, wie eine moderne Skulptur neben dem Ambo der Schlosskirche zeigt.
Auf diese Legende stützt sich der alte deutsche Brauch der Johannisminne. Als Pfarrer Jean Hörnis 1964 nach Johannisberg kam, bemühte er sich auf Anregung von Dr. Josef Staab und zusammen mit Erwin Boos umgehend darum, diese Tradition wieder zu beleben. Dass die Basilika seiner Pfarrgemeinde dem „Sommerhannes", dem Täufer geweiht ist, musste dem Gedenken keinen Abbruch tun - stand der Brauch doch zu Beginn im 12. Jahrhundert im Zeichen des Täufers, ehe er 400 Jahre später auf den „Winterhannes" übertragen wurde.
Und so organisiert die Weinkritik seit 60 Jahren zusammen mit der Pfarrgemeinde, jetzt Heilig Kreuz Rheingau, alljährlich diesen Brauch. Zusammen mit den Fahnen der Weinkritik, des Weinguts Schloss Johannisberg und des Weinguts Johannishof ziehen Vertreter der Rheingauer Weinbruder- und schwesternschaften mit ihren Traditionsfahnen in die Schlosskirche ein.
Im Rahmen einer Heiligen Messe predigt stets ein eingeladener Gast, in diesem Jahr Elke Stern-Tischleder. Sie ging in ihrer Ansprache auf die Liebe Gottes ein und zeigte sie unter anderem mit „einigen der wunderschönsten Worte der Bibel“ auf: „Überliefert im 1. Brief an die Korinther, in denen Paulus die Liebe Gottes beschreibt. Wir dürfen diese anschaulich beschriebene göttliche Liebe mit unseren Erfahrungen von menschlicher Liebe vergleichen. Dabei wird uns vielleicht deutlich, dass wir dieser Beschreibung der göttlichen Liebe zwar nacheifern und Gottes Liebe als Beispiel, als Vorbild nehmen können, aber oft doch wieder bei unserer bescheidenen menschlichen Begrenzung landen. Aber das mag jede und jeder selbst beurteilen.“. Sie zitierte aus dem Korintherbrief, den auch Prof. Dr. Leo Gros zu Beginn des Gottesdienstes in der 1. Lesung zu Gehör brachte und formulierte in heutigen Worten: „Die Liebe ist langmütig, so ist es in der Einheitsübersetzung notiert. Das heißt: Die Liebe ist geduldig. Genau das trifft auf Liebende weniger zu. Die Sehnsucht ist oft so groß, dass für Geduld gar keine Zeit bleibt. Paulus schreibt weiter: die Liebe ist gütig. Heißt im heutigen Deutsch: Die Liebe ist wohlwollend und nachsichtig. Paulus formuliert: Die Liebe eifert nicht, sie prahlt nicht. Eifern bedeutet: leidenschaftlich nach etwas streben, und nicht angeben. Sie erinnern sich sicherlich an den Text der Sparkassen Werbung: Mein Haus, mein Auto, mein Boot, meine Frau? Liebe bläht sich nicht auf, schreibt Paulus. Und er führt weiter aus: Die Liebe handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Das könnte heute heißen, die Liebe handelt nicht respektlos, sie schaut nicht nur auf sich selbst, sondern nach allen Beteiligten, sie ist nicht aggressiv und sie hat ihren Ursprung nicht in bösen Absichten oder Gedanken. Paulus schreibt weiter: Die Liebe freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit, das brauche ich nicht zu übersetzen, oder? Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand, die Liebe hört niemals auf - und spätestens an den Zeilen wird uns deutlich vor Augen geführt, dass wir doch noch weit entfernt sind von der göttlichen Liebe. Meist ertragen wir Menschen nicht alles, wir glauben nicht alles und wir halten nicht immer stand. Aber Gott tut das, er erträgt alles, er glaubt alles und hält stand, was immer auch kommt. So wundervoll beschreibt Paulus die Liebe Gottes und erinnert uns ganz nebenbei auch an unseren christlichen Auftrag, unsere Nächsten zu lieben, ein Auftrag, der doch inzwischen oft in Vergessenheit gerät“. Elke Stern-Tischleder ging auch auf die Liebe des Johannes zu Jesus und auf die Überlieferung ein, dass Johannes der Lieblingsapostel von Jesus gewesen sei. „Jesus Christus wiederum weiß sich von Gott, seinem Vater, geliebt und spricht uns hier in der Basilika des Heiligen Johannes seine Liebe zu. Und er gibt uns einen Auftrag mit: „Bleibt in meiner Liebe!“.
Was hätten wir für eine wundervolle Welt, wenn wir Alle diese Aufforderung beherzigen würden! Vielleicht leitet Sie der Auftrag „Bleibet in meiner Liebe“ im neuen Jahr auch! Heute wollen wir auf jeden Fall, nach alter Tradition, die Liebe des Heiligen Johannes trinken: „Bibe amorem Sancti Johannis“. Diese Liebe möge für Sie zur Stärkung und Wegzehrung werden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen!“, sagte Elke Stern-Tischleder.
Nach dem Gottesdienst wurde in einem festen Ritus wie seit 60 Jahren der neue Wein aus dem gerade zu Ende gegangenen Herbst in Weinkannen und Flaschen gesegnet und den Anwesenden mit den Worten „Trinke die Liebe des Heiligen Johannes“ in ein mitgebrachtes Glas eingeschenkt. So teilten alle den gesegneten Wein. Johannisberger Weingüter bringen darüber hinaus auch immer einige Flaschen aus ihren Kellern zur Segnung mit.
Traditionell verteilte man ein paar Tropfen des gesegneten Weines auf die Fässer in den Kellern. Viel heben auch den von den Geistlichen gesegneten Wein für besondere festliche Anlässe wie Hochzeiten, Geburten und Jubiläen aufgehoben. Aber auch bei Krankheiten, in Kriegszeiten, Armut und Not war es Brauch, ein Glas gesegneten Johannisweins zu trinken, um Unheil und Krankheit abzuwenden. Auch einer der ältesten Trinksprüche gehe auf die Sitte zurück, Reisenden zum Abschied ein Glas geweihten Johanniswein zu reichen und gemeinsam auf ein „Das wir wieder froh zusammen trinken" anzustoßen.
Die Gemeinde Heilig Kreuz Rheingau und die Johannisberger Weinkritik dankten vor Allem auch dem Weingut Schloss Johannisberg für die alljährliche Spende des neuen Weines, den Weingütern und allen Wein-Vereinigungen für ihr Mitfeiern und den Fahnenträgern. Anerkennung und Lob gab es auch für die musikalische Gestaltung der Feier: an der Orgel war der aus Johannisberg stammende Organist Pierre Schuy und an der Trompete der Erbacher Musiker Harald Zerbe zu hören.
Ein Bericht von Sabine FLadung vom 09.01.2025.
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