Die schönsten Töne der Fastnacht
14.02.2025
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Sabine Nebel und Friedel Anschau feierten mit neuem Fastnachtsformat bei „Kultur für Kurze und Lange“ einen Riesenerfolg
Winkel. (sf) „Wenn ich mir so die Welt betracht, dann wird mir Angst und bang, ich frage mich fast jeden Tag, wie das passieren kann. Ha’m wir denn wirklich nichts gelernt aus der Vergangenheit, es scheint fast so, doch ist es jetzt – allerhöchste Zeit. Die Welt, sie ist so wunderschön, sie darf doch jetzt nit unnergehn. Wir müssen kämpfen für die Welt, doch Waffen müssen ruhn, wir sollten es mit Worten und mit Nächstenliebe tun. Ich fange damit heut noch an, auch du hast sicher Mut,
dann glaube ich ganz fest daran, es wird schon wieder gut. Denn eines darf uns nicht passiern, dass wir die Zuversicht verliern – Heile, heile Gänsje, es werde bald widder gut…“, mit zwei selbstgedichteten Strophen zu dem bekannten Fastnachtslied des unvergessenen Mainzer Ur-Narren Ernst Neger sorgte Sabine Nebel am vergangenen Samstagabend im Vereinshaus des Show Orchester Rheingau Mitte sogar für einige Tränchen. Und trat damit in die Fußstapfen des legendären Fasnachters, der genau mit diesem Lied ja auch einst sein vom Krieg zerbombtes Mainz besang.
„Die leisen Töne der Fastnacht“ hatten die beiden Rheingauer Künstler Sabine Nebel und Friedel Anschau ihr ganz besonderes Konzert überschrieben und mit diesem ganz neuen Format feierten sie einen Riesenerfolg. Das Publikum war vom ersten Ton an begeistert, viele dankten den beiden Musikern per Handschlag für „einen wunderbaren Abend“ und freuten sich, dass sie auch explizit aufgefordert waren, die fast vergessenen Lieder mitzusingen. „Ich kenne diese Lieder alle noch!“, war immer wieder zu hören.
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„Ein dreifach donnerndes „Helau“, das würde man doch erwarten, denn es ist Fastnacht, die Zeit der bunten Kostüme, der lauten Umzüge und des überschäumenden Frohsinns. Der heutige Abend aber widmet sich immer wieder vor allem den leisen Tönen der Fastnacht, die uns bewusst innehalten lassen und dem ein oder anderen Gedanken nachspüren, was uns diese besondere Zeit eigentlich sagt!“. Gastgeberin Sabine Nebel, im glitzerndem Charleston-Kleid hatte gleich zu Beginn ihre Interpretation der Fastnacht in den Raum gestellt und ihre tief beeindruckenden Gedanken dazu immer mal wieder zwischen den Liedern einfließen lassen: „Hinter der Faschings-Maske verbirgt sich mehr als bloßer Spaß, sie lädt uns ein, in andere Rollen zu schlüpfen, Perspektiven zu wechseln, uns selbst und unser Gegenüber neu zu entdecken. Fastnacht fordert uns auf, nicht nur das Äußere zu betrachten, sondern auch das Verborgene zu verstehen, den Menschen hinter der Verkleidung. Warum tun wir das alles, das Maskieren, das Verkleiden? Und wie kann uns dieser Perspektivwechsel helfen, besser miteinander umzugehen? Und verwenden wir nicht auch außerhalb dieser 5. Jahreszeit oftmals Masken, damit das Gegenüber nicht in unser Innerstes sehen kann?“.
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Und so begann der Abend auch ganz ungewöhnlich gleich mit dem Abschiedslied der Fastnacht „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ von Jupp Schmitz, das im Publikum sofort für Schunkelrunden sorgte. Dieses Lied zu Beginn solle bewusst machen, dass jetzt eine Auszeit bevorsteht, in der man dem Alltag entfliehen darf: „An Fastnacht brechen wir für einen Moment aus den Zwängen aus, die uns oft so fest im Griff haben. Wir lassen los, was uns beschwert und tauchen ein in das ausgelassene Miteinander, das diese Tage so besonders macht.“.
Aber die Aussage dieses Liedes sei auch ein Synonym für das Leben selbst: „Alles auf dieser Welt ist endlich und so sollten wir jeden einzelnen Moment genießen, wenn es nur irgendwie geht!“. Gleichzeitig mahnte Sabine Nebel aber auch, nicht nur in der Fastnachtszeit alle Grenzen zu sprengen oder die Moral über Bord zu werfen: „Bei aller Freude und Freiheit geht es nicht um ein „Alles ist erlaubt“, sondern um eine bewusste Auszeit, die uns Kraft und Lebensfreude schenkt – damit wir am Ende gestärkt wieder in unsere gewohnten Bahnen zurückkehren können!“. Und so stand bei „Fastnacht der leisen Töne“ das gemeinsame Feiern mit Herz, Humor und einem gesunden Maß an Gelassenheit im Mittelpunkt. Schließlich werfe das Leben jedem genug Steine in den Weg und stelle Herausforderungen, wenn es einfach nicht nach Plan laufe. „Aber gerade dann zeigt sich, wie wichtig zwei Dinge sind: Gelassenheit und Humor“, sagte Sabine Nebel und sang „Man muss das Leben eben nehmen, wie das Leben eben ist“.
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Auch Friedel Anschau bewies an diesem Abend, wie gut er singen kann und welchen Spaß er hat, uralte, bekannte und wiederentdeckte Lieder wie „Es war einmal ein Jäger“ oder „Ob es so oder so oder anders kommt“ unter das Publikum zu bringen. Das agierte eifrig mit, denn natürlich gab es nicht nur „leise Töne“, vielmehr ließ man an diesem Abend ganz närrisch „Sorgen, Sorgen sein“, steckte sie mit Peter Alexander „an den Hut“ und ließ es den „Papa schon richten“.
Sabine Nebel und Friedel Anschau nahmen ihre begeisterten Gäste, die sie alle mit funkelnden Knicklichtern ausgestattet hatten, musikalisch auch in ferne Länder, fuhren zu zweit mit Peter Rubin „irgendwo hin“, besuchten Roberto Blancos „Puppenspieler von Mexico“, feierten „Eviva Espana“, bemerkten „So schön, schön war die Zeit“ und kamen zur Pause zurück nach Hause „Im Schatten des Doms“, wo es doch am Schönsten ist. Und da hatte es schon längst auch stehende Ovationen gegeben, mit den Knicklichtern in der Hand winkte das Publikum zum Fastnachtshit von Thomas Neger.
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Nach der Pause ging es mit Narrenkappe und Trinkliedern weiter und das Vereinshaus der Rheingau-Mitte präsentierte sich dazu mit Lichterkonfetti und Leuchteffekten als ideale „Narrhalla“. Die „familiäre Atmosphäre“, die dem Publikum so gut gefiel, kam auch zustande, weil Sabine Nebel und Friedel Anschau mitten unter den Gästen agierten und sich sogar auch mal unterstützen ließen: so sang Sabine Nebel das Lied „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ gemeinsam mit Ludwig Eser, der ehemalige Tenor bei den Mainzer Hofsängern saß im Publikum und hatte großen Spaß.
Mit dem Gedicht „Wein zu trinke is en Kunst“ von Adolf Gottron hatte Sabine Nebel die Gäste auf den zweiten Teil des Abends eingestimmt und mit den Trinkliedern „Ein Prosit!“, „Schnaps, das war sein letztes Wort“, „Anneliese“, „Trink, trink, Brüderlein trink“, „Wer soll das bezahlen“, „Wir kommen alle in den Himmel“ und „Geh Alte, schau mich net so deppert an“ wurde es dann auch sehr gemütlich. Selbst „Rucki Zucki“ und „Humba tätärä“ fehlten natürlich nicht und trotz des Titels wurde es durchaus auch etwas lauter, denn „die Fastnacht lebt natürlich von Klamauk und Humor!“.
„Ein Lachen kann Berge versetzen, Herzen öffnen und den Alltag heller machen. Mit einem Lächeln auf den Lippen geht vieles leichter und die Fastnacht ist dafür der beste Beweis!“, hielt Sabine Nebel fest und überließ auch Friedel Anschau gerne das Mikrophon, der mit „Es ist noch Suppe da“, Rudi Carrells „Goethe war gut“ und Bata Illics „Ich möcht der Knopf an deiner Bluse sein“ allen im Auditorium ein Lächeln ins Gesicht zauberte.
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Und auch die Liebe und das Herzensleid kamen an diesem Abend nicht zu kurz: von Zarah Leander gab es „Nur nicht aus Liebe weinen“ und von Vicky Leandros das Bekenntnis „Ich liebe das Leben“, bevor es zum krönenden Abschluss noch die berühmtesten Lieder der legendären Fastnachtsikone Margit Sponheimer auf die Ohren gab: „Gell, du host mich gelle gern“, „Auf einmal ist man 50“, „Am Rosenmontag“, „In Mainz am schönen Rhein“ und „Hier am Rhein geht die Sonne nicht unter“. Bei „Ole, ole, Fiesta, Fiesta hier am Rhein“ stand alles im Saal und sang lauthals mit und nahm das angekündigte Ende des Konzertabends der ganz besonderen Art mit Standing Ovations und Zugabe-Rufen gar nicht erst hin. Vielmehr mussten Sabine Nebel und Friedel Anschau noch einige Lieder „drauflegen“, kamen dem Publikumswunsch vom „Kiedricher Lied“ nach und intonierten spontan ein kleines Potpourri, weil man „mit dem Wunsch nach Zugaben gar nicht gerechnet hatte!“. Das wirklich großartige Finale endete dann in dem Stück, das in den 30er Jahren Lilian Harvey gesungen hatte: „Das gibt’s nur einmal“.
„Ich bin dankbar, dass Adi Seitz von „Kultur für Kurze und Lange“ sich auf das „Experiment“ eines völlig neuen Formats eingelassen und einer Idee, die schon lange in mir schlummerte, eine Bühne gegeben hat.“, hielt Sabine Nebel fest. Und eine eigene Narrenkappe bekam die Künstlerin an diesem Abend auch: Dietmar Schneider und Marion Halbritter überreichten nach Ende der Veranstaltung offiziell eine Narrenkappe des Winkeler Carnevalvereins.
Ein Bericht von Sabine Fladung vom 14.02.2025.
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