Morddrohung für Rheingau-Echo-Reporter

30.12.2015

Zeitreise in die Anfänge von Oestrich-Winkel
Höllenstammtisch mit Klaus Frietsch und Horst Seikel interessierte viele Mitglieder und Freunde des Kulturvereines in der Brentanoscheune

Winkel. (sf) Einmal habe es sogar eine Morddrohung für einen Rheingau-Echo-Reporter gegeben, berichtete der Gründer und langjährige Verleger des Rheingau-Echo, Horst Seikel.

Hochinteressant waren seine Ausführungen zu den Anfängen der Heimatzeitung in den 70er Jahren. Gemeinsam mit dem langjährigen Oestrich-Winkeler Bürgermeister und späteren Landrat des Rheingau-Taunus Kreis, Klaus Frietsch, erinnerte sich Seikel an die turbulenten Zeiten Anfang der 70er Jahre, als das Rheingau-Echo sich vom Bekanntmachungsblatt zur echten Heimatzeitung entwickelte und Klaus Frietsch Bürgermeister der damals noch eigenständigen Gemeinde Winkel und der späteren Stadt Oestrich-Winkel wurde.
Eine wahre Zeitreise war der Höllenstammtisch in der Brentanoscheune, zu dem der Verein "KulturHölle" seine Mitglieder und Freunde eingeladen hatte: es war dem Vorsitzenden Harald Koch gelungen, Klaus Frietsch und Horst Seikel zu gewinnen, die über die Anfangsjahre der Stadt Oestrich-Winkel erzählten.
Klaus Frietsch war 1970 mit jungen Jahren bereits Bürgermeister von Winkel, anschließend von 1972 bis 1989 Bürgermeister der neuen Stadt Oestrich-Winkel und später Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises. Horst Seikel war Herausgeber des Rheingau-Echos und erlebte als Journalist hautnah die ersten Jahre der Stadt. Bei vielen Besuchern kamen Erinnerungen an alte Zeiten auf, als die beiden Gäste ausführlich von ihren Erfahrungen berichteten. Und eines wurde sofort ganz klar, auch wenn man sich damals oft nicht einig war, heute ist das Schnee von gestern und der ehemalige Reporter und der Politiker haben das Kriegsbeil längst begraben. Stattdessen hatte Horst Seikel ein Geschenk für Klaus Frietsch mitgebracht: die Erstausgabe des Rheingau-Echos darf dieser jetzt sein eigen nennen. Das freute Frietsch sehr, gestand er doch, dass er kein eigenes Archiv zu Hause habe, das an seine langjährige Zeit als Bürgermeister und Landrat erinnert. "Das wäre viel zu umfangreich geworden", habe auch seine Frau gemeint und gesammelten "Papierkram" entsorgt. Stattdessen erinnerte sich Klaus Frietsch im Vorfeld zum Höllenstammtisch in vielen Gesprächen mit Harald Koch, dem Initiator der Zeitgeschichtsstunde und auch mit seiner Frau. So erzählte er dem hochinteressierten Publikum erst einmal, wie es dazu gekommen war, das er im Rheingau heimisch wurde: "Ich hatte bei der Stadt Wiesbaden damals eine Ausbildung als Diplom-Verwaltungswirt durchlaufen. Heute ist das ein Studium an der Fachhochschule, damals gab es mehrere Seminare, die man durchlaufen musste", erzählte er. Nach der Ausbildung habe er dann im letzten Staatsanzeiger des Jahres 1969 gelesen, dass die Rheingauer Gemeinde Winkel zum August 1970 einen Bürgermeister sucht. Der in Wiesbaden aktive Jungsozialist fragte bei Kollegen aus dem Rheingau nach, wie die politischen Verhältnisse in Winkel seien und ob er eine Chance habe, hier eine Bürgermeisterkarriere zu beginnen. Tatsächlich bestätigten ihn alle Kollegen in seinem Plan, im Rheingau heimisch zu werden. "Damals gab es 15 Sitze im Winkeler Gemeindeparlament: 7 hielt die CDU und 7 die SPD. Zünglein an der Waage war damals Michael Reichbauer, der für den Reichsbund im Parlament saß. Er bestellte mich zu sich ein und wollte von mir wissen, ob ich Verwandte in Winkel habe und fragte mich allgemein zu meiner Meinung zu verschiedenen Themen". Ein paar Tage später gab es dann eine offizielle Vorstellung aller Kandidaten im Gasthaus Taunus, die Hans Nebel, der Vorsitzende des Gemeindeparlaments, leitete. "Daran erinnere ich mich noch gut", hielt auch Horst Seikel fest. Wie so oft an diesem Nachmittag, wusste auch er noch genau die Treffen zu schildern, die so zukunftweisend für die Region waren. Bei der ersten tatsächlichen Abstimmung habe Michael Reichbauer sich dann "schlauerweise" erst einmal enthalten, weil er sehen wollte, ob die politischen Parteien auch wirklich zu ihren Kandidaten stehen. "Ja, das weiß ich auch noch", kommentierte Seikel. Erst bei der zweiten Wahlrunde stimmte Reichbauer dann für Frietsch, der am 1. August 1970 zum Bürgermeister von Winkel gewählt wurde und mit seiner Familie die Dienstwohnung im Rathaus bezog.

Gemeinsam erläuterten Seikel und Frietsch dann, wie es zur Gebietsreform gekommen war und welche Schwierigkeiten es damals mit der Gemeinde Hallgarten gab. "Ich habe Hallgarten 1972 vehement unterstützt in seinem Anliegen, eine selbstständige Gemeinde zu bleiben", erklärte Frietsch. Doch es sei schon damals klar gewesen, das Hallgarten alleine niemals hätte überleben können. "Es gab sogar Gespräche mit dem aus Hallgarten stammenden Bürgermeister Josef Hölzer, das Hallgarten bei Eltville mit eingemeindet wird", erinnerte sich Frietsch.

Sehr interessant waren auch die Ausführungen des Vollblutjournalisten Seikel, der über die damaligen politischen Gegebenheiten berichtet hatte. "Einmal wurde mir angedroht, das man mir "die Bude über dem Kopf anzünden werde", erinnerte er sich, er habe sich von solchen hinterlistigen Drohungen jedoch nie davon abhalten lassen, den journalistischen Finger in die Wunde zu stecken. Nach den Gemeinde- und Stadtverordnetenversammlungen habe es fast immer noch einem Umtrunk im nächsten Gasthaus gegeben und auch da war der Reporter stets mit von der Partie, weil man dort fast immer mehr erfahren hatte, als in den Sitzungen selbst. Die Morddrohung für den Rheingau-Echo-Reporter ging übrigens an einen, der heute Leiter der Bücherei in Geisenheim ist und eigentlich rheingauweit als "Seele von Mensch" bekannt ist: Horst Falker.

Als weiteren Gast hatte die KulturHölle bei ihrem letzten Höllenstammtisch des Jahres übrigens noch einen den ganz bekannten Heimatmenschen eingeladen: den Rheingauer des Jahres 2016, Bernd Hans Gietz. Er ist nicht nur Mitglied des Kulturvereines, sondern unterhielt die Stammtischgäste auch mit seiner wunderbaren Musik. Gern gehörte und besondere Melodien wie die Titelmusik aus dem legendären Film "Die Dornenvögel" oder seine ganz eigene Jazzversion von "Oh when the Saints go marching in" ließ der fulminante Pianist erklingen. Und so saß man bei spannenden Erinnerungen und erstklassiger Musik noch lange an diesem Nachmittag zusammen und genoss bei Weck, Worscht und Woi einen interessanten Höllenstammtisch in geselliger Runde.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 30.12.2015.

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