100. Geburtstag des Weinbaron

02.03.2016

Ein Leben für den Wein

Der berühmte Rheingauer Weinbaron Eberhard von Oetinger wäre am 4. März 100 Jahre alt geworden

Erbach. (sf) "Eberhard von Oetinger hat in seinem Leben einiges bewegt. Festen Schrittes ging er seinen Weg. Die Familie, seine Freunde und der Wein waren ihm wichtig!", das hatte Erwein Graf Matschuka-Greiffenclau kurz nach dem Tod von Eberhard von Oetinger gesagt.

Der Erbacher Ritter und Edlen hatte als Auktionator der großen Weinversteigerungen in Kloster Eberbach Weltruhm erlangte. "Eberhard von Oetinger war der Karajan der Auktionatoren, der sogar beim Versteigern die Musik erahnen ließ, die im Wein steckt", sagt Prof. Dr. Leo Gros über seinen Vorgänger, der am 4. März diesen Jahres seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Eberhard von Oetinger versteigerte nicht nur alte Weine, er liebte und trank sie auch mit großem Sachverstand. Er ergründete ihre Herkunft und stellte sie in einen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang. Die Herkunft der Weine, ihr Geschmack und ihre Ausstrahlung beschäftigten ihn. Mit Humor und Heiterkeit verstand er es, Wein treffend zu charakterisieren. Wer ihm lauschte, wurde nicht nur köstlich unterhalten. Der Gast erfuhr, was in einem Weine steckt, welche Erlebnisse und Eindrücke der Rebensaft vermitteln kann. Sein Leben war der Wein. In nachahmenswerter Weise demonstrierte er ein Stück Weinkultur.

Geboren am 4. März 1916 in Erbach war Eberhard von Oetinger, der rheingauweit unter dem Titel "Weinbaron" bekannt wurde, nach der Schulausbildung und dem Wehrdienst ein erfolgreicher Weinbauschüler. Doch dann kamen der unselige Zweite Weltkrieg, der Kriegsdienst und eine lange Gefangenschaft. Erst im September 1949 kehrte Eberhard von Oetinger in seine Heimat zurück und widmete sich sofort neben dem eigenen Weingut auch als ehrenamtlicher Kommunalpolitiker dem Neuaufbau der damals noch jungen Demokratie. Als Gemeindevertreter war er mehr als ein Vierteljahrhundert für sein Erbach tätig und wirkte auch im Kreistag für das Wohl der Allgemeinheit und des Weinbaues mit. Unter anderem war er auch in der Selbstverwaltung der Raiffeisenkasse Erbach aktiv tätig, gründete 1953 die Winzergenossenschaft Erbach mit und war im Arbeitgeberverband tätig. Als 1961 der unvergessliche Heinz Haselier plötzlich und unerwartet verstarb, sprang er "in die Bresche" und wirkte als Steiglasser für den Rheingau und die Hessische Bergstraße und war in diesem Amt auch in Rheinhessen und an der Nahe tätig. 1952 hatte er das Amt des Vorsitzenden der Rheingauer Weinwerbung übernommen und war als Auktionator bei der Spitzenweinversteigerung der Deutschen Weinbaugebiete tätig. Er fungierte als Interpret der großen Weinproben im Kurhaus in Wiesbaden und führte Weinwerbeproben von München bis Flensburg durch.

Seine Ehefrau Edith Edle von Oetinger, die gerade ihren 94. Geburtstag feierte, erinnert sich anlässlich des 100jährigen Geburtstages an ihren Mann. 1944 lernte sie Eberhard von Oetinger in ihrer Heimat Küstrin kennen. Der junge Rheingauer Winzer war wegen einer Kriegsverletzung in Frankfurt an der Oder in Behandlung war, und kurz bevor er zurück an die Front musste, fand sich das junge Paar und verlobte sich umgehend. Auch die Hochzeit ließ in der damaligen unsicheren Kriegszeit nicht lange auf sich warten. "Für unsere Hochzeitsfeier hatten wir Essensmarken für zehn Personen erhalten, worüber wir glücklich waren. Außerdem hatten wir auch eine Ziege und somit Milch und Käse", erinnert sich die 94jährige. Direkt nach der Hochzeit und einer viertägigen Hochzeitsreise, damals ein echter Luxus, musste Eberhard von Oetinger wieder an die Front und geriet in Breslau in Gefangenschaft. Edith von Oetinger war sprichwörtlich von heute auf morgen gezwungen, vor den vorrückenden russischen Soldaten zu fliehen und machte sich am 5. Februar 1945 zu Fuß auf in den Rheingau, den sie am 20. Februar sicher erreichte. "Die Flucht werde ich nie vergessen, wegen der Verdunklung wusste ich bei den nächtlichen Fußmärschen nie genau, wo ich wirklich war. Und zu Essen hatte ich auch nichts". Die Schwiegereltern in Erbach nahmen die junge Frau auf und vier Jahre nach Kriegsende kehrte auch endlich Eberhard von Oetinger nach Hause. Es kam die Zeit des Wiederaufbaus und das Ehepaar Oetinger führte das berühmte Familienweingut in eine gute Zukunft. Sie bewirtschaften 6 Hektar Weinberge mit eigenem Gutsausschank und immer wieder machte es sich von Oetinger zur Aufgabe, die Menschen an den Wein heranzuführen. Das war das besondere Metier von Eberhard von Oetinger und deshalb engagierte er sich auch außerhalb seines eigenen Weingutes für den Rheingau, gründete 1972 den Rheingauer Weinkonvent mit, war kommunalpoltisch mehr als umtriebig und sorgte unter anderem dafür, dass der Bau der Heimkehrersiedlung in Erbach in die Wege geleitet wurde. Seine vielen Verdienste wurde durch zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen dokumentiert.

In der Zwischenzeit hatte die Familie Oetinger selbst einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen müssen: der 1953 geborene Sohn verstarb als 25jähriger an Leukämie. Trotzdem und vielleicht auch gerade deswegen führten die Oetingers eine harmonische und gute Ehe. Das Wort Gastlichkeit erhielt im Hause Oetinger eine besondere Bedeutung. Gäste herzlich willkommen zu heißen, sie aufs Beste zu verwöhnen, verstanden Baron von Oetinger und seine Frau ausgezeichnet. Und auch der jüngere Sohn Christoph führte noch lange das Familienweingut mit Ausschank und ist heute noch als Wein- und Kulturbotschafter tätig. Enkelsohn Adrian ist ebenfalls dem Wein zugetan.

"Eberhard von Oetinger vermittelte seinen Gästen das Gefühl, dass er gerade auf sie besonders gewartet hatte. Wer mochte die Erinnerung an seine Geselligkeit, die geistreichen, witzelnden, manchmal spitz formulierten Bemerkungen und amüsanten Begegnungen mit ihm missen", hielt Graf Matschuka nach Oetingers Tod fest und nannte ihn einen aufrechten und gradlinigen Mann mit klaren Vorstellungen. Er setzte sich auch mit unbequemen Personen und Sachverhalten auseinander. Für richtig Erkanntes setzte er sich gegen größte Widerstände durch. Dies stellte er in seinen öffentlichen Ämtern nachhaltig unter Beweis. Die Rheingauer Winzerschaft hat ihm auch heute noch viel zu verdanken.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 02.03.2016.

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