Die schönste Art im Rheingau den Wein zu genießen
Straußwirtschaften im Rheingau locken mit hauseigenen Rebensäften und Spezialitäten aus der Gutsküche
"Wo’s Sträußche hängt, werd ausgeschenkt" heißt das Motto im Rheingau, das von der Mundartdichterin Hedwig Witte bereits in Versen umschrieben, als Lied vertont wurde und Titel eines Buches über Straußwirtschaften im Rheingau ist. Überall in den deutschen Weinanbaugebieten gibt es solche "Strauß-", "Buschen-", "Besen-" oder "Heckenwirtschaften", für die es sogar eine eigene gesetzliche Regelung gibt. Als echte Straußwirtschaft gilt ein Ausschank mit höchstens 40 Sitzplätzen, der einem landwirtschaftlichen Betrieb angegliedert ist. Hier darf der Winzer nur eigenen Wein ausschenken und "einfach zubereitete" Speisen servieren. Außerdem darf die Straußwirtschaft höchstens 16 Wochen im Jahr geöffnet sein. Meistens verteilen die Rheingauer Winzer diese Schankerlaubnis auf zwei Perioden im Frühjahr und Herbst. Vor allem während der Rheingauer Schlemmerwochen Mitte April bis Anfang Mai hängen viele Winzer das "Sträußchen" raus und laden in ihr Gut ein. Vielerorts in den Rheingauer Weinbaugemeinden haben die Winzer diese "Straußwirtschaften" inzwischen zu respektablen Gasthäusern ausgebaut. Doch ursprünglich räumte einst die Winzerfamilie für die kurze Ausschankzeit ihre "gut Stubb" aus, um den eigenen Wein an die Gäste auszuschenken. Auch heute gibt es noch solche Straußwirtschaften im Rheingau, in denen die Besucher dann tatsächlich im Wohnzimmer, im größeren Schlafgemach oder gar in der Kelterhalle der Winzerfamilie sitzen können und in uriger Umgebung deftig Schlemmen und Trinken können. Im Sommer sind es vor allem die rebenberankten Weingärten und Gutshöfe, die bei herrlichen Temperaturen zum kleinen Urlaub fernab vom Alltag einladen. Und nicht zuletzt sind Straußwirtschaften der beste Platz, um mit dem Weinerzeuger selbst und den Einheimischen ins Gespräch zu kommen, denn auch die Rheingauer selbst lieben "ihre" Straußwirtschaften und kehren gerne hier ein.
Wenn die Weinfreunde dann in einer solchen Straußwirtschaft beim Wein zusammen sitzen, müssten sie eigentlich Kaiser Karls des Großen gedenken, denn ihm haben sie dieses Vergnügen zu verdanken. Schon Karl der Große hatte sich bei der wirtschaftlichen Ordnung seines großen Reiches auch Gedanken um die Weinvermarktung gemacht und ordnete im Jahre 795 an, daß auf jedem seiner Weingüter mindestens drei Weinwirtschaften einzurichten seien, in denen der eigene Wein ausgeschenkt werden sollte. Per Erlass erlaubte er aber auch anderen Weinbauern, einen Teil ihres Weines selbst auszuschenken. Bereits damals soll eine "corona de racemis", ein Kranz aus Weintrauben, das Kennzeichen dieser Weinschenken gewesen sein, eine Deutung, die bei Historikern allerdings umstritten ist. Heute kennzeichnen grüne Kränze aus frischem Rebenlaub und Blumen oder mit bunten Bändern und Lämpchen fröhlich verzierte Reisigsträuße im Rheingau vielfach die Straußwirtschaften, und wer einem solchen Zeichen schon einmal gefolgt ist, weiß die besondere Mischung aus Gastlichkeit, Rheingauer Wein und unverfälschten typischen Rheingauer Gerichten zu schätzen.