Erste Online-Wein-Probe auch nach 20 Jahren unerreicht

08.05.2021

Bund der Oenologen und Hochschule Geisenheim erinnerten an die Pionierleistung des „1. Wine-Event Riesling Worldwide“ im Frühjahr 2001

Geisenheim. (sf) 20 Jahre später: live aus dem Geisenheimer Unikeller erinnerten Prof. Dr. Hans Reiner Schultz, der Präsident der Hochschule Geisenheim, Rolf Stocké vom Bund deutscher Oenologen (BDO) und Campusmanager und VEG-Alumni-Präsident Robert Lönarz an die erste weltweite Online-Weinprobe, die am 21. März 2001 im Domzentrum Geisenheim stattfand. Und obwohl heute Online-Weinproben überall „gang und gebe“ sind, in Zeiten von Corona einen wahren Boom erfahren haben und vielen Weingütern gerade in Zeiten der Pandemie sogar das „Überleben“ und den so wichtigen Kontakt zum Kunden sichern, bleibt das „1.Wine-Event Riesling Worldwide“ doch unerreicht.
Das wurde im Rahmen des „Retro-Abends“ mit live-Schaltung aus dem Unikeller und den vielen Anekdoten der zugeschalteten Gäste wie Dr. Rowald Hepp, Ulrike Neradt, Wolfgang Junglas, Prof. Dr. Leo Gros, Dani de Wet, Wolfgang Heeß, Sebastién Loison, Peter Griebeler, Bernhard Gaubatz und vielen mehr ganz klar. Die köstlichsten Geschichten rund um das damalige Event verrieten die Gäste. So offenbarte Prof. Dr. Schultz, der damals auch die Moderation der Probe mit 12 Rieslingweinen aus sechs Ländern in vier Kontinenten übernommen hatte, das in der großen Generalprobe kurz vor der Online-Weinprobe „nichts, aber auch gar nicht geklappt hatte“: „Egal welche Schalte, ob nach Kalifornien, nach Südafrika, Australien oder Österreich – wir hatte immer entweder kein Bild oder keinen Ton und ich dachte damals, uns steht der größte Reinfall aller Zeiten bevor“.

Dabei hatte man wirklich ganz groß die Werbetrommel für dieses damals noch gänzlich unbekannte Internet-Wein-Event gerührt: sogar im Fernsehen, in der Sendung „Fröhlicher Weinberg“ berichtete Prof. Schulz im Vorfeld von dem geplanten „Event“, dessen Wortumschreibung damals ebenfalls etwas ganz neuartiges gewesen sei und zu witziger und ungewöhnlicher Aussprache bei manchen geführt habe, wie sich auch Rolf Stockè erinnerte. Wolfgang Junglas und Ulrike Neradt berichteten live per Zoom bei der Retro-Veranstaltung, wie es damals dazu kam, das sogar die Kulisse aus dem Fröhlichen Weinberg dann bei der Internet-Weinprobe auf der Bühne im Domzentrum stand und Prof. Schulz verriet, das es einige Gläser Riesling gebraucht habe, um die empörten Techniker, die das Bühnenbild als inkompatibel mit einer hochmodernen Internet-Weinprobe sahen, und die Dekorateurin des SWR zusammen zu bringen.
Doch natürlich klappte dann am großen Tag alles bestens und mit viel Vergnügen erinnerten sich alle am Montagabend in der dreistündigen Retro-Online-Weinprobe gerne und bestens an die vielen kleinen und großen Gegebenheiten rund um die Premiere vor 20 Jahren.

Am 21. März 2001 veranstaltete der BDO am Campus Geisenheim unter Aufbietung sehr vieler engagierter Kräfte der damaligen Fachhochschule und Forschungsanstalt die erste weltweite Internet-Weinprobe „1st Wine Event Riesling Worldwide“. Im Mittelpunkt standen zwölf hochwertige deutsche Rieslingweine mit ausländischen Erzeugern aus Australien, Südafrika, USA, Frankreich und Österreich präsentiert, die verglichen und bewertet wurden. Mehr als 500 Gäste konnten das Spektakel in Geisenheim sowohl bei der Verkostung, als auch zusätzlich bei verschiedenen Veranstaltungen wie „Aromen und Wein“ oder einem „Galadinner live“ direkt in der Hochschule genießen. Die verfügbaren Plätze waren in kürzester Zeit ausgebucht. Weltweit konnte alles live im Internet mit verfolgt werden und die 400 verfügbaren Probenpakete für 298 Deutsche Mark für zu Hause waren innerhalb kürzester Zeit vergriffen. „Teilweise mussten auch Persönlichkeiten aus der Weinbranche, der Politik, des Sports und Funk und Fernsehen abgesagt werden, da die verfügbaren Plätze bei weitem nicht ausreichend waren“, erinnerten sich die „Macher“. Die mediale Nachfrage und Berichterstattung vom dem außergewöhnlichen Ereignis sei extrem hoch gewesen: „Bereits in der Vorberichtserstattung und am Tag selbst wurde in den Dritten Programmen der Weinbauregionen ausführlich und enthusiastisch berichtet“, erinnerten sich die damaligen Projektleiter für den BDO, Rolf Stocké und Robert Lönarz, noch heute gerne zurück. „Wir waren damals der technischen Zeit weit voraus mit Netmeeting in 64 kbit/s ISDN. Ein Jahr Vorlauf war notwendig, hunderte Stunden freiwilliger Mehrarbeit wurden geleistet, der BDO-Vorstand hatte den Mut, über 100.000 DM zu bewegen. Heute würde man ein solches Risiko wahrscheinlich nicht mehr eingehen können und dürfen. Es war eine echte Pionierzeit“, so die damaligen Verantwortlichen.

Gäste wie Ulla Kock am Brink oder Sportreporter Oskar Wark verliehen dem Entertainment im Rheingauer Domzentrum damals zusätzliche Popularität. Nicht gekommen war allerdings der ursprünglich angekündigte Alfred Biolek, ein besonderer Freund von Sebastien Loison, der beim großen, die Probe begleitenden Galadiner damals kochte und auch am Montagabend im Unikeller ein Spargelrisotto und Wildschweinkeule servierte. „Der Grund dafür, das Alfred Biolek noch auf der Fahrt in den Rheingau wieder umdrehte, war damals dessen eigener Wasser-Sponsor, der nicht wollte, das Biolek mit unserem Wasser-Sponsor auftrat“, erklärte Prof. Schulz.

Prof. Dr. Leo Gros, der damals beim Galadiner die zwölf Rieslingweine, zwei 1999er Riesling Smaragd, Weißenkirchner Ried, Klaus und Steinriegel vom Weingut Prager aus Österreich, einen 1999er Schloss Vollrads Riesling Kabinett trocken, ein 1998er Laubenheimer Karthäuser Spätlese trocken vom Weingut Tesch in Langenlonsheim an der Nahe, ein 1999er Grans - Fassian Catherina, Riesling ObA vom Weingut Grans –Fassian an der Mosel, ein 1999er Forster Kirchenstück Riesling Spätlese trocken vom Weingut Eugen Müller, ein 2000er Julius Eden Valley, C. A Henschke. Keyneton Australien, ein 2000er?Lenswood Green's Hill. CA Henschke, ein 2000er Rhine Riesling De Wetshof Estate aus Südafrika, ein 1999er Pacific Rim Riesling von Bonny Doon Vineyard in Californien, ein 1999er Critique of Pure Riesling von Bonny Doon Vineyard und ein 1997er Grand Cru Florimond. AOC Riesling Vins D’Alsace Kuehn. Ammerschwihr aus dem Elsass, vorstellte, übernahm auch am Montagabend die ehrenvolle Aufgabe, einige der Weine zu verkosten und zu beschreiben. Denn bei der Retro-Veranstaltung standen die Weine aus dem Originalkarton von 2001 zur Verfügung.

Dieser Umstand war auch die Idee gewesen, zum Jubiläum der ersten weltweiten Online-Weinprobe eine Retro-Veranstaltung zu machen: der Vater von Robert Lönarz, Horst Lönarz, hatte in seinem Weinkeller vor kurzen den Originalkarton, den er hier gelagert hatte, gefunden, und seinem Neffen übermittelt. Mit diesen Weinen als unerwarteter Fund wollte man an die Pionierleistung vor damals erinnern. Mit dem Rheingauer Technikspezialist Woody T. Herner im Team, der sich um das heute vielfach einfacherer Streaming über Vimeo und Facebook kümmerte, ging man an die Produktion. Heraus kam dabei ein sehr unterhaltsamer Abend mit tiefen Einblicken zur damaligen Premiere. So wurden unter anderem kleine Filme und Mitschnitte der ersten weltweiten Internetprobe gezeigt, der damalige riesige Technik-Aufwand beleuchtet und die Winzer und Weine von einst und heute vorgestellt. Dr. Rowald Hepp war live zugeschaltet, der den damaligen Riesling von Schloss Vollrads vorstellte und verriet, das es der erste gewesen war, der unter seiner Verantwortung als Gutsverwalter entstanden sei. Und auch Danie de Wet aus Südafrika fachsimpelte mit Prof. Dr. Lei Gros live über den Wein, der damals und am Montag zu verkosten war.

Bernhard Gaubatz erinnerte sich noch genau, das er für den BDO für die Finanzen zuständig war und mehr als froh gewesen sei über die vielen Sponsoren und die punktgenaue „Landung“ beim Finanzierungsplan. Prof. Schulz verriet unter anderem, wie schwierig auch die logistische Aufgabe gewesen war, die jeweils 400 Flaschen der 12 Rieslingweine aus sechs Ländern und vier Kontinenten nach Geisenheim zu holen und von hier aus verpackt an die Probenteilnehmer in aller Welt wieder zu verschicken. Einen riesigen Schreck habe es zum Beispiel gegeben, als der kalifornische Winzer plötzlich bemerkt hatte, dass er gar keine 400 Flaschen seines Weine mehr habe. „Ein ganzes Wochenende habe ich nichts mehr von ihm gehört und montags dann die gute Nachricht, dass er wieder 400 Flaschen habe. Er war Samstag und Sonntag die gesamten kalifornischen Vinotheken abgefahren, um hier seinen eigenen Wein zurück zu kaufen“.

Alles in allem sei es eine äußerst mutige und zukunftsweisende Veranstaltung gewesen, was den „Machern“ damals gar nicht so bewusst war, wie sie am Montagabend gestanden. Ins Grübeln sei er allerdings gekommen, als 2001 nach dieser ersten Internetpremiere niemand anderes als die Geschäftsführung des Bertelsmann-Verlages auf ihn zugekommen sei und ihm die Rechte für die erste weltweite Internet-Wein-Veranstaltung abkaufen wollte, erinnerte sich Prof. Schulz zum Abschluss des Retro-Abends. Der Bertelsmann-Verlag habe damals nicht glauben können, das so etwas im kleinen Geisenheim möglich gemacht wurde.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 08.05.2021.

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