Getreue Mitglieder trafen sich heimlich in einer Baracke

19.01.2023

Kolpingfamilie Winkel feiert das 100jährige Bestehen mit Fastnachtssitzung, Vortrag, Festgottesdienst und Bannermarsch

Winkel. (sf) 2023 wird für die Kolpingfamilie Winkel ein ganz besonderes Jahr: der 100. Geburtstag des Vereines steht an, der zu diesem Anlass bereits zum Jahreswechsel eine Jubiläumsspende an die Rheingauer Tafel übergab.

Im September 1923 hatten sich die als „Winkeler Ortsgruppe“ geführten Mitglieder und Gesellen in der 1922 gegründeten Kolpingfamilie Oestrich, damals noch „Katholischer Gesellenverein“ genannt, entschlossen eine eigene Kolpingfamilie zu gründen. Damit bestehen bis heute in der Stadt Oestrich-Winkel bis heute zwei unabhängige, aber eng verbundene Kolpingfamilien, die sich bemühen, im Sinne des Gesellenvaters und Priesters, dem seligen Adolph Kolping, seine Ziele und Ideen zu verwirklichen: Nämlich verantwortlich in Familie, Kirche, Beruf und Staat zu leben, und in christlicher Nächstenliebe solidarisch zu handeln.

Adolph Kolping, der vor 210 Jahren in Kerpen geboren wurde und am 4. Dezember 1865 verstarb, wurde 1847 in seiner ersten Stelle als Kaplan zum Präses, zum geistlichen Leiter des Katholischen Gesellenverein in Wuppertal-Elberfeld gewählt. Dieser „Verein“ zu dem nur männliche Handwerksgesellen Zugang hatten, wurden einige Jahre zuvor von dem Lehrer Johann Gregor Breuer (1820–1897) gegründet. Seinen Mitgliedern gewährte der Verein, insbesondere in den Wanderjahren fern von zu Hause, soziale Unterstützung, Bildung, Geselligkeit und einen religiösen Halt. Kolping erkannte die Bedeutung des Gesellenvereins und war bestrebt, die Idee über Elberfeld hinauszutragen. Adolf Kolping, der eine Stelle als Domvikar in Köln übernommen hatte, gründete dort mit sieben Gesellen 1850 den Katholischen Gesellenverein, der sich rasend schnell entwickelte und heute eine weltweite, ökumenisch agierende Institution mit rund 275.000 Mitglieder ist. 1991 wurde Kolping von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen – ein „Prozess“ zu seiner Heiligsprechung ist zurzeit im Gange.

Der Kolpingfamilie Winkel sind es heute knapp 50 Mitglieder, die sich im Sinne Kolpings engagieren. „In Glanzzeiten waren es über 100 Mitglieder, die überall dort aktiv, wie es mal jemand mal ausgedrückt hat, wenn es 'um die Kirche herum nach Arbeit riecht'. Und es dürfen gerne noch ein paar mehr werden, was uns sehr freuen würde!“, hält der langjährige Vorsitzende der Kolpingfamlie Winkel, Lothar Meckel fest.
„Um der in der Nazizeit einer Gleichschaltung und einem Vereinsverbot zu entgehen, änderten die Katholischen Gesellenvereine 1935 ihre Bezeichnung in „Kolpingsfamilien“. Was aber nicht verhinderte, dass sämtliche Vereinsaktivitäten durch die Machthaber streng kontrolliert wurden. Ein Verbot einer Doppelmitgliedschaft von Kolpingsfamilie und des staatlichen „Standesvereins“ kam die Verbandsarbeit, vor allem nach dem Kriegsausbruch 1939, auch in Winkel weitestgehend zum Erliegen. Es wurden Kolpingmitglieder verhaftet, verhört und aus dem Gemeindedienst entlassen. Einige getreue Mitglieder konnten sich in Winkel nur im Geheimen in einer Baracke treffen, die Graf Matuschka-Greiffenclau dem Verein zur Verfügung gestellt hatte. Der legendäre „Bäckermeister Schmidt“, Vizepäses des Vereins trotzte dem Regime und verwahrte die Vereinsfahne, die heute noch bei besonderen Anlässen „gehisst“ wird, sicher in seinem kleinen Boot auf dem Rhein.“, erinnert Lothar Meckel an die wechselvolle Historie des Jubiläumsvereines.

Nach dem unseligen Krieg sei dann die erste wichtige Aktivität des Vereins ein Einkehrtag gewesen, der zusammen mit den Oestricher Kolpingbrüder initiiert wurde. Hier wurde vor allem auch den ehemaligen Soldaten geholfen, ihre traumatischen Erinnerungen an die Gräueltaten im Krieg zu verarbeiten. Diese spirituellen Tage sind auch heute noch fester Bestandteile im Programm der beiden Kolpingsfamilien: „Gott sei Dank heute mit anderen Schwerpunkten und meist eine Veranstaltung für die ganz Familie. Zumal seit 1966 offiziell auch Frauen als Mitglieder „zugelassen“ waren - in Winkel aber auch schon inoffiziell vor diesem Zeitpunkt!“, so Meckel.

Darüber hinaus sind natürlich noch viele weitere Bildungsveranstaltungen heute im aktuellen Programm der Winkeler Kolpingfamilie. Allerdings hätten moderne Medien die einst „klassischen Vorträge“ stark zurückgedrängt haben und die Kolpingabende würden mehr der Geselligkeit dienen.

Fester Bestandteil im Jahresprogramm sind die legendären Fastnachtssitzungen , die sich vor allem auch deshalb großer Beliebtheit erfreuen, weil dort auch mal der „Herr Pfarrer“ in die „Bütt“ geht und die Narren auch der kirchlichen Obrigkeit mal den Spiegel vorhalten kann. Lothar Meckel erinnert an den ehemaligen Winkeler Präses, Pfarrer Helsper, der zu einem „neuen“ Jugendpfarrer gesagt habe: „Geh nur in die in Bütt. Da hast du sie alle beisammen, mehr als in der Kirche!“.

Legendäre Büttenredner, Tanz- und Gesangsgruppen wie die „Stimmbruchsänger“ werden auch in diesem Jahr am Freitag, dem 10. Februar 2023 um 19:33 Uhr in der Brentanoscheune wieder ihr „Bestes“ geben. Und auch eine karnevalistischen Wort-Gottes-Feier wird es am Fastnachts-Sonntag, den 19. Februar 2023 um 11:11 Uhr in Sankt Walburga in Winkel unter dem Motto „Kolpings Humor in Gottes Ohr“ geben. „Das wird zwar keine „Kokoloresveranstaltung“, aber wir sind mit Spaß und Freude dabei!“, so Lothar Meckel.
Für außergewöhnliche Gottesdienste auf dem Schiff, in der Weidenkapelle, in der Krypta oder an den Kreuzen und Bildstöcken in Feld und Flur ist die Winkeler Kolpingfamilie gut bekannt. Und auch eine von der Tanzgruppe gefertigt Osterkrone wird alljährlich auf dem Kirchenvorplatz aufgestellt.

Und schon bei der Gründung der Winkler Kolpingsfamilie spielte auch das Laientheater-Spiel eine große Rolle, diente es doch der Finanzierung der verschiedenen Aktivitäten des jungen Vereins in der beginnende Weltwirtschaftskrise mit ihrer verheerenden Inflation: „Der Monatsbeitrag betrug mehrere Millionen Reichsmark!“, so der Vorsitzende. Damals seien klassische Stücke wie „Schneider Wibbel“ und „Wenn du noch eine Mutter hast“ aufgeführt worden. Im Laufe der Zeit hätte sich das Repertoire gewandelt und in der jüngsten Vergangenheit seien „Humoresken“, teilweise aus der Feder von den eigenen Mitgliedern, mit ganz großem Erfolg gespielt worden. „Leider sind solche Aufführungen vorläufig „auf Eis gelegt“ – es fehlt an aktiven Laiendarstellern, die dazu Lust und vor allem Zeit aufbringen können!““, bedauert Lothar Meckel. Dafür sind jedoch auch andere Aktionen wie große Weinproben in den Mittelpunkt gerückt. Mit ihnen konnten dann auch nicht unerhebliche Gelder erwirtschaftet werden, die immer überwiegend in soziale Einrichtungen zurückfließen. Unsere Kolpingfamilie wird nicht „gewinnorientiert“ geführt, das ist eine gute Tradition aus der Gründerzeit unserer Gemeinschaft. So wurden zum Beispiel schon Holz-Spielkästen für den Kindergarten gefertigt oder die Hinterbliebenen des Krieges mit Brennholz versorgt. Auch die Finanzierung des neuen Zelebrationsaltar in der Pfarrkirche, eine maßgebliche Arbeit von Kolpingbruder Franz Freimuth war durch die Kolping-Aktion „De Parre zappt“ möglich geworden.“, erinnert der Vorsitzende. In ähnlicher Form hat diese gesellige Straußwirtschaft heute noch Bestand. Selbst die „Erfindung“ der Waldackerfeste gehe auf die hundertjährige Kolpingfamilie Winkel zurück. Bis heute ebenfalls eine erfolgreiche Aktion mit großem und kleinem Publikum ist „Der Nikolaus kommt!“.
Lothar Meckel ruft Vereinsprojekte wie „Tue Gutes und rede darüber“ mit Hilfen für eine Schreiner-Schule in der argentinischen Provinz „Missiones“, Unterstützung des Bethanien-Kinderdorfes, des Eltviller Tisches, Mitfinanzierung von mehreren Lehmbauten in Otjiwarongo, Finanzierung von Restaurierungsarbeiten an historischen Kolping-Dokumenten, Zuschüssen für die Bestuhlung des „WAZ“ und vielem mehr in Erinnerung. Auch die Instandsetzung eines Wegkreuzes konnte mitfinanziert werden und ein weitere sei bereits in der Planung.

Gleichzeitig macht der Borsitzende aber auch auf den Mitgliederschwund aufmerksam, der viele Vereine betrifft und auch in der Winkeler Kolpingfamilie unaufhaltsam voranschreite.

„In den damaligen Ortsgemeinden war die Pfarrstelle, oft neben dem Pfarrer, noch mit einem Benefiziaten oder Kaplan besetzt, die auch die Aufgabe des Präses, einem geistlichen Leiter der Kolpingsfamilie innehatte. Diese Aufgabe hat heute unser Gemeindereferent Eberhard Vogt übernommen und komplettiert so unser Leitungsteam“, so Lothar Meckel. Denn mittlerweile würde das „Vorstand“ nicht mehr so richtig passen. Auch einen „Senior“, „Altsenior“ oder Vizepräses gäbe es in der heutigen Form nicht mehr.
Trotzdem soll das 100jährigen Jubiläum der Kolpingfamilie aber groß gefeiert werden: neben der Fastnachtsitzung und dem karnevalistischen Wortgottesdienst im Februar plant die Kolpingfamilie Winkel einen Vortag mit der Benediktiner-Schwester Philippa Rath aus dem Kloster Eibingen über die spannende Frage der „Geschlechtergerechtigkeit“. Außerdem wird es einen Festgottesdienst und Bannermarsch gemeinsam mit dem Diözesanen-Präses Christian Preis, anderen Kolpingfamilien und vielen am 17. September um 11 Uhr in der Pfarrkirche Sankt Walburga geben. „Dann wollen wir nicht „die Asche beweinen“, sondern die Flamme von Kolpings Ideen am Lodern halten. Denn der Kolpinggruß lautet „Treu Kolping“ und die Antwort „Kolping treu“.“.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 19.01.2023.

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