Die schönste Art, Wein zu genießen
10.03.2006
Wos Sträußche hängt, werd ausgeschenkt": Straußwirtschaften im Rheingau locken mit hauseigenen Rebensäften und Spezialitäten aus den Gutsküchen. Historisches und Empfehlungen von Sabine Fladung.
Gastfreundschaft rund um den Wein ist eine Tradition, die im Rheingau gepflegt wird. Schon die Mönche des einstigen Zisterzienserklosters Eberbach, in dem der Weinbau des Rheingaus seinen Ursprung hat, luden Reisende zum Nächtigen und zur gemeinsamen Vesper ein.
Heute haben viele Winzer ihre Güter für Besucher geöffnet. Die wohl schönste Art: Straußwirtschaften. Dorthin laden die Winzer für kurze Zeit im Jahr Gäste ein, den hauseigenen Wein in gemütlichen Runden zu kosten und dazu Köstliches aus der Gutsküche zu probieren, meist zubereitet von der Frau des Hauses. Ursprünglich räumte die Winzerfamilie für die kurze Ausschankzeit ihre "gut Stubb" aus, um den eigenen Wein an die Gäste auszuschenken. Auch heute gibt es manchmal noch solche Straußwirtschaften im Rheingau, in denen die Besucher dann tatsächlich im Wohnzimmer, im größeren Schlafgemach oder in der Kelterhalle der Winzerfamilie sitzen und in uriger Umgebung deftig Schlemmen und Trinken können.
"Wos Sträußche hängt, werd ausgeschenkt" heißt es nach Versen der Mundartdichterin Hedwig Witte. Überall in den deutschen Weinanbaugebieten gibt es solche "Strauß-", "Buschen-", "Besen-" oder "Heckenwirtschaften", für die sogar eigene gesetzliche Regelungen gelten: Als echte Straußwirtschaft gilt ein Ausschank mit höchstens 40 Sitzplätzen, der einem landwirtschaftlichen Betrieb angegliedert ist. Der Winder darf nur eigenen Wein ausschenken und "einfach zubereitete" Speisen servieren. Außerdem darf die Straußwirtschaft höchstens 16 Wochen im Jahr geöffnet sein.
Meistens verteilen die Rheingauer Winzer diese Schankerlaubnis auf zwei Perioden im Frühjahr und Herbst. Vor allem während der Rheingauer Schlemmerwochen Mitte April bis Anfang Mai hängen viele Winzer das "Sträußchen" raus und laden in ihr Gut ein. Vielerorts in den Rheingauer Weinbaugemeinden haben die Winzer diese "Straußwirtschaften" inzwischen zu respektablen Gasthäusern ausgebaut. Im Sommer sind es vor allem die rebenberankte Weingärten und Gutshöfe, die bei herrlichen Temperaturen zum kleinen Urlaub fernab vom Alltag einladen. Und nicht zuletzt sind Straußwirtschaften der beste Platz, um mit dem Weinerzeuger selbst und den Einheimischen ins Gespräch zu kommen, denn auch die Rheingauer selbst lieben "ihre" Straußwirtschaften und kehren gerne hier ein.
Wenn die Weinfreunde dann zusammen sitzen, müssten sie eigentlich Kaiser Karls des Großen gedenken, denn ihm haben sie dieses Vergnügen zu verdanken. Karl der Große hatte sich bei der wirtschaftlichen Ordnung seines großen Reiches auch Gedanken um die Weinvermarktung gemacht und ordnete im Jahre 795 an, dass auf jedem seiner Weingüter mindestens drei Wrtschaften einzurichten seien, in denen der eigene Wein ausgeschenkt werden sollte. Per Erlass erlaubte er aber auch anderen Weinbauern, einen Teil ihres Weines selbst auszuschenken. Bereits damals soll eine "corona de racemis", ein Kranz aus Weintrauben, das Kennzeichen dieser Weinschenken gewesen sein, eine Deutung, die bei Historikern allerdings umstritten ist. Heute kennzeichnen grüne Kränze aus frischem Rebenlaub und Blumen oder mit bunten Bändern und Lämpchen fröhlich verzierte Reisigsträuße im Rheingau vielfach die Straußwirtschaften. Und wer einem solchen Zeichen schon einmal gefolgt ist, weiß die besondere Mischung aus Gastlichkeit, Rheingauer Wein und unverfälschten typischen Rheingauer Gerichten zu schätzen.
Service: Ausgewählte Straußwirtschaften
Weingut Fritz Allendorf
Außerhalb von Winkel gelegen, mit herrlicher überdachter Terrasse, eigenem großen und gut einsehbaren Kinderspielplatz finden hier auch Familien mit Kindern was das Herz begehrt. Ein großes Speisenangebot bietet für jeden Geschmack das Richtige, vor allem die Saisongerichte sind zu empfehlen. Dazu gibt es eine erstklassige Palette hauseigener Weine, die inzwisschen weltweit ihre Fans haben. Besonderes Highlight ist die hauseigene Dauerausstellung "Wein-Erlebnis-Welt", in der man sich dem Wein mit allen Sinnen nähern kann.
Weingut Fritz Allendorf
Kirchstr. 69
65375 Winkel
+49 (0)6723 91850
www.allendorf.de
Weingut Wilhelm Nikolai
Im hauseigenen Gewölbekeller kann man hier im Herbst und Winter in stilvoller Umgebung zwischen Weinfässern bei Kerzenlicht den Wein direkt beim Erzeuger probieren und mit bis zum 40 Personen auch zünftig feiern. Der windgeschützte, sonnige Winzerhof der Familie Nikolai wird für die Straußwirtschaft im Frühjahr hergerichtet und lädt zur deftigen Brotzeit bei einem guten Schoppen Rheingauer Wein ein.
Weingut Wilhelm Nikolai
Friedrichstr. 14
65346 Erbach
+49 (0)6123 62812
www.weingut-nikolai.de
Wilhelm Mohr Erben
"Mohrs Weingeist" heißt das neue Konzept im traditionsreichen Lorcher Weingut Mohr. Hervorragende Weine und hausgemachte Speisen und Spezialitäten aus der Region verwöhnen die Gäste in dieser gemütlichen Straußwirtschaft. Zu den Rennern gehören der Freistaat-Flaschenhals-Spezialitätenteller, frischgeräucherte Forellenfilets, Wildspezialitäten, Spundekäs', Käse vom Demeterbetrieb "Hof Zorn" sowie die dazu passenden Weine und Sekte.
Weingut Wilhelm Mohr Erben
Rheinstr. 21
65391 Lorch
+49 (0)6726/9484
www.weingut-mohr.de
Weingut Robert König
Das Weingut Robert König im Rheingauer Rotweindorf Assmannshausen ist für seine großartigen Weine bei Weinfreunden in der ganzen Welt bekannt. Direkt im gemütlichen Landhaus "Kenner" des Weingutes kann man die edlen Rebensäfte während der "Rheingauer Schlemmerwochen" ab Ende April und an den "Tagen der Offenen Weinkeller" im September probieren. Herr König präsentiert hier vor allem auch die frisch abgefüllten Weine des Vorjahres und dazu passende Leckerbissen aus der Gutsküche. Der kulinarische Genuß ist etwas für die ganze Familie, denn im geräumigen Gutshof können die Kinder unbesorgt spielen.
Weingut Robert König
Landhaus Kenner
65385 Assmannshausen
+49 (0)6722/1064
E-Mail: info@weingut-robert-koenig.de
www.weingut-robert-koenig.de
Weingut Trenz
Im überdachten Innenhof des traditionsreichen Johannisberger Weinguts Trenz sind Weinfreunde eingeladen, sich mit köstlichen Weinen und hausgemachten Spezialitäten wie "Kochkäse nach Omas Geheimrezept", im Frühling "Tafelspitz mit frischer grüner Kräutersoße" oder im Herbst "Tresterfleisch" verwöhnen zu lassen. Dazu ist Rheingauer Gemütlichkeit garantiert.
Weingut Trenz
Schulstraße 1
65366 Johannisberg
+49 (0)6722/8285
www.weingut-trenz.de
Ein Bericht von Sabine Fladung vom 10.03.2006.
3