Ein mutiges Herz
07.01.2008
Sabine Fladung begibt sich in ihrem Heimatort Hallgarten auf die Spuren des Liberalisten Johann Adam von Itzstein.
"Die persönliche Freiheit ist das kostbarste Gut des Bürgers", erklärte Adam von Itzstein. Ein Weingut von rund 40 Morgen besaß der Liberalist und Freiheitskämpfer in dem kleinen Rheingauer Weindorf Hallgarten. Dort traf er sich mit berühmten Persönlichkeiten seiner Zeit und prägte den Liberalismus mit. Und doch ist der Name Adam von Itzstein nur wenigen bekannt, gibt es kaum Hinweise auf sein politisches Wirken. In Hallgarten jedoch sind die Spuren, die von Itzstein in dem kleinen Weinort hinterließ, bis heute deutlich sichtbar, beispielsweise sein Grabmal, Straßennamen und sogar eine eigene Weinserie der ortsansässigen Winzergenossenschaft.
Über Generationen hinweg hatte die Familie von Itzstein im mittleren Rheingau gelebt. Ein Weingut in Hallgarten war im 18. Jahrhundert durch die Heirat Johannes Franziskus Itzsteins, Großvater von Johann Adam, mit der Hallgartener Kaufmannstochter Maria Klara Hardy der Familie Itzstein zugefallen. Johann Adam von Itzstein, der das Weingut erbte, wurde am 29. September 1775 in Mainz geboren. Nach Abschluss seiner juristischen Studien an der Mainzer Universität führte ihn seine praktische juristische Tätigkeit nach Amorbach, Miltenberg und Schwetzingen. 1819 wurde er als Hofgerichtsrat nach Mannheim versetzt. Seit seiner Wahl in den Badischen Landtag des Jahres 1822 war er mit der Bewegung des badischen Liberalismus verbunden. Sowohl der Streit um den Militäretat 1822/23 als auch der Einspruch gegen ein Manifest des Großherzogs 1841/42 sind untrennbar mit seinem Namen verbunden. Er erwies sich als geschickter Parteiführer, gewandter Agitator und Dialektiker. Seine parteipolitische Tätigkeit war auf geschlossenes Handeln aller liberalen Kräfte gerichtet, sein politisches Denken und Handeln war durch die Französische Revolution und deren Freiheitsideen geprägt.
Einer, der sich sein Leben lang mit dem Politiker beschäftigt hat, ist der Hallgartener Pädagoge und Historiker Dr. Josef Roßkopf. Das Thema seiner Dissertation 1954: "Adam von Itzstein". "Itzsteins Begabung als Parteiführer und Organisator der Liberalen zum einen, der vorzügliche Hallgartener Wein und die schöne Lage des Itzsteiner Gutshauses zum anderen machten Hallgarten zum idealen Platz für gesamtdeutsche Parlamentariertreffen", erzählt er. Itzsteins großes Verdienst sei das Zustandekommen der Hallgarte ner Zusammenkünfte von Liberalen aus ganz Deutschland gewesen. Itzstein begründete dort den "Hallgartener Kreis", der sich von 1839 bis 1847 im noch bestehenden Gartenhäuschen des Weingutes in der heutigen Niederwaldstraße traf. So wurde Hallgarten zum Ausgangspunkt einer großen Sammlungsbewegung im deutschen Vormärz, die ihre Krönung in der Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 finden sollte. Zu den liberalen Persönlichkeiten gehörten unter anderem der Publizist Robert Blum, der Arzt Dr. Johann Jacoby, die Juristen Friedrich Hecker und Heinrich von Gagern, der Verleger Friedrich Daniel Bassermann, der Dichter Hoffmann von Fallersleben sowie der Schriftsteller Rudolf von Gottschall. Der konspirative Kreis wird auch als eigentliche Keimzelle der Frankfurter Nationalversammlung, des ersten deutschen Parlaments, bezeichnet. Itzstein zog 1848 in die Frankfurter Nationalversammlung ein und folgte ein Jahr später dem Rumpfparlament nach Stuttgart bis zu dessen gewaltsamer Auflösung.
"Der Liberalismus vollbrachte die größte historische Leistung der Neuzeit. Er hat den Obrigkeitsstaat überwunden mit dem Einsatz von Menschen wie Johann Adam von Itzstein, deren Triebfeder der Kampf um die Befreiung des Menschen aus Abhängigkeit und Fremdbestimmung war und die an seiner Stelle den demokratischen Rechtsstaat durchgesetzt haben", sagte der langjährige Rheingauer FDP-Landtagsabgeordnete Michael Denzin bei einer Gedenkfeier für Adam von Itzstein. "Er erzwang den freien Handel, befreite das Gewerbe, ermöglichte freie Berufswahl und erkämpfte Freizügigkeit für die Menschen", so Denzin. Im geistigen und kulturellen Bereich habe Itzstein die Menschen von Dogmen befreit.
Adam von Itzstein war ein überzeugter Kämpfer für die natürlichen und persönlichen Freiheiten des Menschen und setzte sich vehement gegen den Absolutismus und für Demokratie und Menschenrechte ein. So kämpfte Itzstein auch für die Trennung von Justiz und Verwaltung sowie gegen geheime Strafverfahren und forderte öffentliche Verhandlungen mit Geschworenen und "Mündlichkeit", also ein mündliches Verfahren, an dem Richter aus der Bevölkerung beteiligt sind. Itzstein war schließlich auch ein Vorkämpfer der Pressefreiheit und damit der Meinungsfreiheit, Zensur war für ihn "Gedankenmord". Interessant ist auch seine Definition der "wahren Aufgabe" der Presse, nämlich einerseits die "besonnene Belehrung der Bürger über ihre verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten, andererseits die furchtlose Aufdeckung der Mängel der Verwaltung und kräftige Rüge jedweden Unrechts". Seine eigene Meinung frei zu sagen, stellte zur Lebenszeit des berühmten Hallgarteners noch ein Wagnis dar. Viele der Freiheitskämpfer von damals mussten Deutschland verlassen oder verloren sogar ihr Leben. Auch Johann Adam von Itzstein erlebte ein solches Schicksal. Aus Furcht vor einer eventuellen Inhaftierung ging er, nach einer risikoreichen Flucht, in die Schweiz.
"Die Dankbarkeit Ihrer Mitbürger wird sich fortpflanzen von Geschlecht zu Geschlecht, da ein Mann, der wie Sie sein Leben dem Volke weiht, stets in seinem Andenken fortlebt." Diese Worte, die Freiburger Bürger im Jahre 1842 in einem Dankschreiben an Johann Adam von Itzstein richteten, sind auch für die Hallgartener, insbesondere die Mitglieder des Vereines Weindorf Hallgarten, heute noch Ansporn und Verpflichtung, den liberalen Politiker zu ehren und zu würdigen. "Wenn wir heute am Grab von Itzsteins stehen und an dessen Lebenswerk denken, muss uns dessen Einsatz auch heute eine Verpflichtung sein. Uns für Presse- und Meinungsfreiheit einzusetzen, sie zu schützen, ist eins der wichtigen Vermächtnisse", sagt der Vorsitzende des Vereins Josef Roßkopf.
In der Schweiz konnte der geflohene Freiheitskämpfer der drohenden Verhaftung wegen Hochverrats entgehen und hielt sich bis 1850 in Straßburg und im Elsass auf. Ausgeschlossen aus dem Badischen Landtag und seiner Bürgerrechte enthoben, kehrte Itzstein, körperlich und seelisch gebrochen, 75-jährig in den Rheingau zurück und starb vier Jahre später, am 14. September 1855, in seinem Heimatort. Auf der Rückseite seines Grabmales auf dem Hallgartener Friedhof steht ein zeitgenössisches Urteil: "Müde von den Jugendkämpfen deutscher Freiheit ruhet hier ein mutig Herz."
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